10 Gründe für Probleme beim Großflughafen BER
Bei vielen öffentlichen Großprojekten laufen die Kosten aus dem Ruder. Ein besonders prominentes Beispiel ist der Großflughafen BER, über den in den Medien bereits viel berichtet wurde. Sowohl die Kosten als auch die Bauzeit wurden hier deutlich überschritten. Insgesamt 10 Gründe für die Probleme ermittelten die Forscher der Hertie School of Governance und argumentieren, dass viele Probleme hätten vermieden werden können.
Im Rahmen der kürzlich veröffentlichten Studie „Großprojekte in Deutschland – zwischen Ambition und Realität“ ermittelte die Hertie School of Governance, dass bei vielen öffentlichen Großprojekten Kostenüberschreitungen an der Tagesordnung sind. Allein beim Berliner Großflughafen BER sind die Kosten von geplanten 2,5 Milliarden Euro um 125 Prozent auf bislang 5,4 Milliarden Euro gestiegen. Auch die Bauzeit erhöhte sich von 2,5 Jahren um 200 Prozent auf voraussichtlich 7,5 Jahre.
Doch wie konnte das passieren? Schließlich ist BER kein außergewöhnliches Projekt mit vielen Unbekannten wie zum Beispiel der Signature-Bau Elbphilharmonie. „Aus einer Governance-Perspektive ist der BER ein Muster-Negativbeispiel.Während bei anderen Projekten oft deren Neuartigkeit zu höheren Kosten führt, etwa durch die Anwendung wenig erprobter Technologien, ist der BER – von der Brandschutzanlage abgesehen – ein Standard-Großprojekt“, erläutert Studien-Autor Prof. Dr. Jobst Fiedler. Den Grund für die Kostenentwicklung sieht die Hertie-Studie daher in einem fehlenden Governance-Ansatz, der eine Kostenspirale in Gang setze, die außer Kontrolle geriet. Gleich zehn aufeinander aufbauende Fehler hätten mit ausreichender Fachkompetenz und einer zeitlich und finanziell angemessenen Planungsphase vermieden werden können, erläutert der Experte.
Es beginnt mit der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB), die zwar erfolgreich zwei Flughäfen betreiben kann, jedoch keinerlei Kompetenz und Projekterfahrung für die Steuerung eines komplexen Neubauprojekts unter Zeitdruck hat. Nur mit einer ganzheitlich projektspezifischen Governance mit einem hochkompetenten Technikvorstand und einer inhaltlichen Trennung vom eigentlichen Flugbetrieb wäre eine Überforderung der FBB zu vermeiden gewesen.
Der Aufsichtsrat des FBB war zwar mit hochrangigen Personen aus Politik, Behörde und der Privatwirtschaft bestückt, doch fehlte den Entscheidungsträgern mehrheitlich ein ausreichender Bausachverstand. Damit handelten die FBB-Manager ohne kompetente Aufsicht und Kontrollinstanz.
Als besonders folgenreich erwies sich die Entscheidung, keinen Generalunternehmer einzusetzen, der das technische und finanzielle Risiko hätte übernehmen können. Aus Gründen der Mittelstandsförderung, angeblicher Kosteneinsparung und aufgrund schlechter Erfahrungen mit Beteiligungen der Privatwirtschaft in der Vergangenheit wurde darauf verzichtet. Damit lag das gesamte Risiko für die Detailplanung und Koordination des Neubaus mit allen Beteiligten bei der FBB und somit den Steuerzahlern.
Statt einer Bündelung wurde der Auftrag von anfangs sieben Baulosen auf 50 Teillose im späteren Verlauf aufgeteilt. Selbst erfahrene Fachkräfte hätten mit der Aufteilung in zahlreiche kleine Gewerke und dem dadurch entstandenen Koordinationsaufwand zwischen den Auftragnehmern der unterschiedlichen Gewerke ihre Schwierigkeiten gehabt. Die FBB-Manager waren definitiv überfordert.
Doch auch die Planer waren vor allem durch paralleles Planen und Bauen überfordert. So kam die beauftragte Planungsfirma pgbbi aufgrund der Vielzahl an Ausschreibungen für die zahlreichen Baulose unter hohem Zeitdruck bei einem sehr ambitionierten Zeitplan ohne nötige Zeitpuffer selbst in Zeitnot.
Auch die Umsetzung zahlreicher Planänderungen hat die Fehlerspirale weiter angetrieben. Diese wurden durch veränderte Regulierungen, aber auch durch zusätzliche Wünsche der Fluggesellschaften im Laufe des Projektes und ohne Rücksicht auf die Folgen beauftragt. Dabei hätten die Planänderungen durch ein rechtzeitiges Einbeziehen in den Planungsprozess vermieden und die Kostenexplosion durch eine Risikoeinschätzung von mit einbezogener Finanzexperten vorhergesagt werden können.
Überhaupt fehlte ein unabhängiges externes Controlling (Assurance-Prozess), um Fehlentscheidungen rechtzeitig anzeigen zu können. Wie schon zuvor erwähnt fehlte es den Entscheidungsträgern an Fachwissen und Erfahrung im Bauablauf. Da erstaunt es auch nicht, dass es im Bauablauf gerade im Bezug auf den Brandschutz zu Koordinierungsproblemen kam. Ohne übergreifende Gesamtplanung der Gebäudetechnik wurden Aufträge an verschiedene Firmen vergeben, die nicht untereinander koordiniert wurden.
Am Ende wurden dann dem Aufsichtsrat wesentliche Informationen vorenthalten, so dass bekannten Warnungen zu Zeit- und Kostenrisiken den Entscheidungsträgern schlichtweg nicht vorlagen. Das Chaosmanagement in der Schlussphase konnte es schließlich auch nicht retten. In großer Eile durchgeführte Schlussarbeiten und improvisierte Alternativlösungen erwiesen sich letztlich als nicht tragbar und führten am Ende nur zu noch weiteren Verzögerungen, Kosten und entgangenen Einnahmen. Doch schon heute wird bereits erwartet, dass das Passagieraufkommen bis zur geplanten Fertigstellung im vierten Quartal 2017 auf 34 Millionen Passagiere ansteigt und der Flughafen folglich erweitert werden muss.
Durch die verfehlte Governance-Entscheidung noch vor dem ersten Spatenstich wurde damit aus einem Standardprojekt ein finanzielles und Image-schädigendes Desaster. Die Hertie School of Governance ist überzeugt, dass diese Fehlerspirale vor allem durch eine fachkompetente Projektleitung, durch die Besetzung des Aufsichtsrats durch Personen mit Erfahrung im Bau von Großprojekten und der Unterstützung eines externen Controllings zur Beratung bei größeren Entscheidungen hätte vermieden werden können. Darüber hinaus hätten weitere Fehler auch durch die Minimierung des Koordinierungsaufwands durch einen Generalunternehmer, sowie durch ausreichende Planungszeit vor Baubeginn und die Beschränkung von Planänderungen auf ein absolut notwendiges Minimum verhindert werden können, so die Empfehlung der Forscher für weitere Großprojekte der Bauwirtschaft.
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