Weil immer mehr öffentliche Infrastrukturprojekte zeit- und kostentechnisch aus dem Ruder laufen, hat die Reformkommission “Bau von Großprojekten” nun den Abschlussbericht vorgelegt. In einem 10-Punkte-Aktionsplan werden mehr Bauherrenkompetenz, vorausschauendes Risikomangement und bessere Konfliktlösungsmechanismen gefordert. Die Bauverbände begrüßen die Handlungsempfehlungen, fordern jedoch die Aufstockung der Bauverwaltung und Einbezug weiterer Bundesministerien für mehr Termintreue und Kostensicherheit für neue Großprojekte.
In der Vergangenheit wurden immer wieder Zeit- und Kostenvorgaben von großen Infrastrukturprojekten zum Teil erheblich überschritten. Daher hat die Reformkommission Großprojekte unter der Leitung von Bundesminister Alexander Dobrindt den gesamten Bauprozess genauer analysiert und von der ersten Projektidee über die Planung, die Vergabe, den Bau bis zum Betrieb näher beleuchtet. Dabei haben die Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verbänden und der öffentlichen Hand die häufigsten Gründe für die Kosten- und Terminüberschreitungen ermittelt, konkrete Lösungsvorschläge entwickelt und Handlungsempfehlungen zusammengetragen, um in Zukunft Zeit- und Kostenpläne bei Großprojekten besser einhalten zu können. Als Ergebnis hat die Reformkommission Anfang dieser Woche im Rahmen des Endberichts einen 10-Punkte-Aktionsplan vorgestellt. “Mit dem Aktionsplan ist es unser Ziel einen Kulturwandel bei Großprojekten einzuleiten: Mit mehr Partnerschaftlichkeit zu mehr Kostentransparenz und Termintreue. Bonus-Malus-Regelungen und klare Vereinbarungen zur Konfliktbeilegung und modernste digitale Systeme können dazu beitragen, Kosten- und Zeitpläne besser einzuhalten”, erläutert Dobrindt bei der abschließenden Sitzung in Berlin.
Alle zehn Punkte vom Aktionsplan im Einzelnen:
- Nutzung digitaler Methoden – Building Information Modelling
- Erst planen, dann bauen
- Risikomanagement und Erfassung von Risiken im Haushalt
- Stärkere Transparenz und Kontrolle
- Kooperatives Planen im Team
- Vergaben an den Wirtschaftlichsten, nicht den Billigsten
- Partnerschaftliche Projektarbeit
- Außergerichtliche Streitbeteiligung
- Verbindliche Wirtschaftlichkeitsuntersuchung
- Klare Prozesse und Zuständigkeiten/Kompetenzzentrum
Im Wesentlichen fordert die Reformkommission den konsequenten Einsatz der Digitalisierung als Chance beim Bau von Großprojekten. So verweist die Reformkommission auf die Methodik Building Information Modeling (BIM) mit den drei bekannten Dimensionen plus den Dimensionen Kosten und Termine. Bei diesem digitalen fünfdimensionalen Planen, Bauen und Betreiben von Großprojekten werden Daten und Informationen vernetzt, so dass alle am Projekt Beteiligten auf eine synchronisierte Datenbasis zugreifen können. In dem Zusammenhang kündigt Dobrindt mit Hilfe der “Planung und Bau 4.0 GmbH” ein Kompetenzzentrum für BIM an. Außerdem soll Ende des Jahres ein BIM-Gipfel stattfinden, bei dem die digitalen Anforderungen für Großprojekte in einem Stufenplan vorgestellt werden sollen.
Weiterer wesentlicher Bestandteil des 10-Punkte-Aktionsplans ist die Forderung nach einem transparenten und offenen Risikomanagement. Dabei sollen die Risiken für potentielle Zusatzkosten und Verzögerungen im Bauablauf bereits zu Beginn der Planung berücksichtigt und bis zum Ende minimiert werden. “Bauprojekte sind besser beherrschbar, wenn Risiken frühzeitig identifiziert und systematisch gemanagt werden”, erklärt Dobrindt und fordert mit Risikopuffer und professionellem Risikomanagement die Kosten- und Zeitpläne verlässlicher einzuhalten.
Außerdem fordert die Reformkommission eine stärkere Zusammenarbeit aller am Bau Beteiligten und erwartet mit einer offenen und vertrauensvollen Partnerschaft eine termin- und kostengerechtere Umsetzung von Großprojekten. Aber auch Bonus-Malus-Vereinbarungen und externe Mechanismen zur Beilegung von Streitigkeiten sollen die Kooperation am Bau fördern.
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) begrüßt den Abbau der “Kultur des Gegeneinanders” aus der Zeit der Baukrise. So freut sich bereits HDB-Präsident Prof. Thomas Bauer auf eine “neue Kultur des Vertrauens und der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Auftraggeber und privaten Auftragnehmern”. Gleichzeitig betont er aber auch die Bedeutung einer Stärkung der Bauherrenkompetenz auf Auftraggeberseite, die verbindliche Einführung eines systematischen Risikomanagements sowie den konsequenten Einsatz interner und externer Konfliktlösungsmechanismen, wie z. B. der Adjudikation auf Verlangen einer Seite. Bauer sieht jedoch mit dem 10-Punkte-Aktionsplan erst eine “halbe Strecke” zurückgelegt und fordert auch einen sukzessiven Einbezug weiterer Bundesministerien.
Beim Thema der Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP) sind sich Bauindustrie und Baugewerbe jedoch nicht einig. Während HDB-Präsident Bauer bei begrenzter Projektmanagementkompetenz die zusammengefasste Vergabe sowie die Erprobung weiterer Modelle zur partnerschaftlichen Projektzusammenarbeit empfiehlt, lehnt beispielsweise die Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg ÖPP-Projekte eher ab. “ÖPP-Projekte sind kein Allheilmittel. Aufgrund ihrer Größe schränken sie den vorhandenen Wettbewerb massiv ein”, gibt Reinhold Dellmann, Hauptgeschäftsführer der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg zu Bedenken. Demnach sieht er selbst mittelständische Baubetriebe im Bieterverfahren um ÖPP-Projekte benachteiligt und deren Sachkompetenz ungenutzt. Außerdem bedrohen ÖPP-Projekte hiesige Arbeitsplätze und vergrößern das Risiko von Schwarzarbeit durch Nachunternehmerketten. So fordert Dellmann die schnelle Aufstockung der öffentlichen Hand und insbesondere der Straßenbauverwaltungen, um die Voraussetzung für konventionelle Vergabe und termingerechte Fertigstellung großer Bauvorhaben zu schaffen. Denn personelle Engpässe dürften nicht dazu führen, große Baumaßnahmen nur noch als ÖPP zu vergeben, so Dellmann.