Angesichts der finanziellen Schwierigkeiten eines privaten Autobahnbetreibers müsse die ÖPP-Strategie neu überdacht werden, fordert die mittelständische Bauwirtschaft. Die drohende Insolvenz und die Klage gegen den Bund in Millionenhöhe hat viele in ihrer Skepsis bestärkt. Denn dem Baugewerbe sind die öffentlich-privaten Partnerschaften schon lange ein Dorn im Auge. So bringe ÖPP keine Vorteile für Steuerzahler und grenze den Mittelstand aus.
„Wir wenden uns schon seit langem gegen solche öffentlich-private Partnerschaften. Sie bringen für den Steuerzahler keine Vorteile und schließen wegen ihrer finanziellen und zeitlichen Dimensionen den Mittelstand als Anbieter aus“, kritisierte der Hauptgeschäftsführer der Baugewerblichen Verbände (BGV), Lutz Pollmann. Anlass war das Bekanntwerden, wonach der Ausbau der Autobahn A1 in Norddeutschland durch die finanzielle Schieflage der Betreibergesellschaft gefährdet sei. Damit noch nicht genug, die Gesellschaft verlangt vom Bund wegen ausgebliebener Mauteinnahmen 640 Millionen Euro. Der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat daraufhin angekündigt, dass es unter einer SPD geführten Regierung keine Autobahnprivatisierungen geben werde.
Wir brauchen keine privaten Investoren
Auch der Präsident des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, Dr.-Ing. Hans-Hartwig Loewenstein, sieht die staatliche Verpflichtung, für ein leistungsstarkes Verkehrsnetz zu sorgen. Doch dafür werden die Autofahrer pro Jahr mit 50 Milliarden Euro durch die Kfz- und Mineralölsteuer zur Kasse gebeten. Das mache private Investoren überflüssig. Aus Sicht der mittelständischen Bauunternehmen, die zu 70 Prozent am Straßenbau beteiligt sind, seien die Maßnahmen daher ein Irrweg. Im Endeffekt komme es für die öffentlichen Auftraggeber teurer, als konventionell abgewickelte Projekte. Außerdem werden zu viele unkalkulierbare Risiken auf die Auftraggeber abgeschoben.
Die Skepsis bleibt
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hatte sich immer wieder für eine Privatisierung stark gemacht. Doch die Größenordnung der Privatisierung können selbst leistungsstarke Mittelständler nicht mehr tragen. So erklärte Pollmann in einem Interview, dass sich dadurch der Kreis der Anbieter nur auf eine geringe Zahl beschränke und kaum noch ein gerechter Wettbewerb stattfinde. Besonders im vergangenen Jahr haben sich die BGV gegen die Privatisierung der Autobahnen gewandt. Sie waren mit der im Bundestag abgesegneten Regelung nicht einverstanden, obwohl es auf Drängen der SPD bereits Einschränkungen gegeben hätte. Mit Skepsis reagierte die Interessenvertretung des Bau-Mittelstandes auf die Ankündigung der neuen Landesregierung in NRW, nur in besonderen Fällen zur ÖPP zu greifen. Die Projekte sollten dann jedoch mittelstandsfreundlich ausgestaltet werden. Doch BGV-Präsident Rüdiger Otto hat dazu eine klare Meinung: “Nach unseren Erfahrungen schließen sich ÖPP und Mittelstandsfreundlichkeit weitgehend aus.”