Bauarbeiter fordern 5,9 Prozent mehr Lohn
Die ambitionierte Lohnforderung der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) ist quasi der Auftakt für die diesjährige Tarifrunde im Baugewerbe. In Vorfeld der anstehenden Tarifverhandlungen legten die Arbeitnehmervertreter dazu ein umfangreiches Forderungspaket vor. Die Arbeitgeberseite hält dagegen und relativiert die vermeintlich gute Branchenentwicklung. Durch schwache Umsatzrenditen und hohen Wettbewerbsdruck sehen die Arbeitgeber kaum Spielraum für Lohnerhöhungen.
Im Rahmen der diesjährigen Tarifrunde im Baugewerbe hat gestern die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) ihre Lohnforderung für die rund 780.000 Beschäftigten in der deutschen Bauwirtschaft bekannt gegeben. Demnach legte die Bundestarifkommission der IG BAU eine Lohn- und Gehaltsforderung von 5,9 Prozent für zwölf Monate vor. Darüber hinaus soll die Auszubildendenvergütung um monatlich hundert Euro für jedes Ausbildungsjahr steigen. Ferner fordert die Gewerkschaft einen weiteren Angleichungsschritt der Ost- an die Westlöhne und die Einführung vom Mindestlohn II auch im Osten. Zusätzlich erwartet die IG BAU für die Bauarbeiter eine Verbesserung der Unterkunftsregelung bei Baustellen, die weit vom Wohnort entfernt sind, sowie zwei Tage zusätzlichen Urlaub für den 24. und 31. Dezember bei voller Entlohnung.
Arbeitsumfeld für Bauarbeiter soll wieder attraktiver werden
Der Stellvertretende IG BAU-Bundesvorsitzende Dietmar Schäfers rechtfertigt das umfangreiche Forderungspaket für die Bauarbeiter durch die gut laufende Baukonjunktur und den vielfach von den Bauunternehmern beklagten Fachkräftemangel. “Wegen zu weniger Mitarbeiter müssen sie sogar teilweise auf lukrative Aufträge verzichten. Das ändert sich nur, wenn der Bau attraktiver wird.”
Boomende Baukonjunktur dient zur Rechtfertigung von Lohnerhöhungen
Für ihre Lohnforderung legt die IG BAU das allgemeine Umsatzwachstum am Bau von drei Prozent zugrunde. So erwartet die Baubranche im Wohnungsbau ein Wachstum von fünf Prozent und im Öffentlichen Bau von vier Prozent. “Wir haben gerade in Ballungsgebieten einen enormen Nachholbedarf an bezahlbaren Wohnungen und Sozialwohnungen. Gleichzeitig müssen die Verkehrswege saniert und ausgebaut werden. Die gerade erst geplanten Investitionsprogramme der Bundesregierung stützen die Branchenentwicklung über das Jahr hinaus”, erklärt Schäfers und verweist auf die bis 2019 vorgesehenen Investition in Höhe von rund 25 Milliarden Euro für Bundesfernstraßen und rund 51 Milliarden Euro für Bundesverkehrswege.
Arbeitgeber beklagen geringe Rendite und hohen Wettbewerbsdruck
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) und der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) werfen der Gewerkschaft vor, mit der Lohnforderung unerfüllbare Erwartungen zu wecken. Immerhin stehe der hohen Lohnforderung immer noch niedrigen Umsatzrenditen der Betriebe gegenüber, betont die Arbeitgeberseite. “Es besteht nach wie vor ein hoher Wettbewerbsdruck, der weiterhin über die Preise ausgetragen wird. Angesichts der Tatsache, dass Bauen immer noch arbeitsintensiver ist und der Lohnkostenanteil um ein vielfaches über dem der stationären Industrie liegt, wird der Kostenwettbewerb vor allem auf dem Rücken der tarifgebundenen Betriebe ausgetragen”, sagt Frank Dupré, ZDB-Vizepräsident und diesjähriger Verhandlungsführer der Arbeitgeberseite. So verhindern vor allem die Billiglohnkonkurrenz und zunehmende Anzahl von Scheinselbständigen oftmals auskömmliche Preise. “Vor diesem Hintergrund hat ein Umsatzwachstum von gerade mal einem Prozent im vergangenen Jahr zu keinem Verteilungsspielraum für Lohnerhöhungen geführt.”
Arbeitgeber sehen bei Betrieben Nachholbedarf
Denn während die Arbeitnehmerseite mit der stabilisierenden Wirkung weiter steigender Einkommen argumentiert, zeigt die Arbeitgeberseite Unverständnis. Immerhin sei das zur Verfügung stehende Einkommen der Bauarbeiter durch niedrige Inflaktionsraten und gestiegenen Löhnen der letzten Jahre gestiegen. “Wenn jemand einen Nachholbedarf hat, dann unsere Mitgliedsbetriebe bei ihren Erträgen”, so Dupré.
Die diesjährige Tarifrunde im Baugewerbe beginnt in knapp einem Monat am 15. März 2016 in Berlin.
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