Baubranche noch weit vom digitalen Bauen entfernt
Das Bauen wird immer komplexer und ist mit klassischen Methoden kaum noch zu beherrschen. Für das material-, energie-, kosten und zeiteffiziente Bauen sind daher neue Methoden und digitale Prozessketten notwendig, bei denen alle Beteiligten transparent und unmittelbar über alle Aspekte des Bauprojekts in Kenntnis stehen. Doch wie sieht die Praxis aus? Eine aktuelle Studie bringt ernüchternde Ergebnisse zutage.
Immer öfter sind besonders komplexe Bauvorhaben, wie z.B. die Elbphilharmonie in Hamburg oder der Großflughafen BER in Berlin in der Presse, die aufgrund diverser Fehler hinsichtlich der Kosten und Zeit aus dem Ruder laufen. Oft fehlt schlichtweg die Transparenz und Planungssicherheit für alle Beteiligten, so dass sprichwörtlich die eine Hand nicht weiß, was die andere tut. Abhilfe verspricht das Building Information Modeling (BIM), das eine komplett digitale Planung des Bauvorhabens vom Entwurf bis zur Inbetriebnahme ermöglicht. Bei dieser durchgängigen digitalen Prozesskette haben alle am Bau Beteiligten einen unmittelbaren Zugriff auf die gleiche Datenbasis, können sich dadurch besser abstimmen und problemlos verschiedene Ausführungsvarianten durchspielen und diskutieren. Außerdem haben sie permanent einen transparenten Zugriff auf die Live-Daten zu Kosten, Mengen und Zeitabläufen. Damit ist es möglich, Bauprojekte präziser, effizienter, günstiger und nachhaltiger abzuwickeln.
Doch in der Praxis sieht es anders aus. Vom sogenannten “Bauen 4.0” sind wir noch weit entfernt, das ergab nun eine aktuelle Studie im Rahmen des Forschungsprojekts “FUCON 4.0 - Parametrische Planung und digitale Fertigung” vom Fraunhofer IAO. So haben die Forscher unter rund 400 Architekten und Fachplanern, aber vor allem auch Ausführenden und Subunternehmern den tatsächlichen Zustand hinsichtlich der eingesetzten Planungs- und Fertigungsmethoden abgefragt und gezielt nach Problemen in den Bauprozessabläufen gesucht.
Die Planungsmethode BIM ist bei weitem nicht so bekannt, wie allgemein angenommen. Rund 20 Prozent können mit dem Begriff sogar überhaupt nichts anfangen. 18 Prozent halten die Methode für ungeeignet und nur 14 Prozent arbeiten bereits seit über einem Jahr damit.
Große Vorbehalte gibt es vor allem bei den Architekten und Planern: 39 Prozent der Befragten, die nicht mit BIM arbeiten, halten klassische Planungsmethoden für vollkommen ausreichend. Sogar die Hälfte der Architekten plant noch mit analogen oder digitalen 2D-Zeichnungen. Nur 22 Prozent der Architekten und Planer nutzen BIM standardmäßig und nur 0,5 Prozent ergänzen die 3D-Pläne mit den Dimensionen Zeit und Kosten. Auch tauschen 69 Prozent aller Befragten ihre Planungsinhalte und -stände anhand von 2D-Plänen aus. Dabei verwenden 15 Prozent sogar Papierpläne
BIM ist aktuell noch ein Thema für die ganz Großen. Denn trotz aller Vorbehalte, arbeiten bereits ein Drittel der Unternehmen mit Projektvolumen von über 25 Millionen Euro regelmäßig mit BIM. Und auch insgesamt glauben immerhin 25 Prozent aller Befragten, dass sich die Planungsmethode BIM bis in zehn Jahren flächendeckend durchgesetzt haben wird. 13 Prozent rechnen sogar optimistisch damit, dass dieser Zustand schon in fünf Jahren erreicht wird. Nur 17 Prozent vermuten, dass sich BIM überhaupt nicht durchsetzen wird.
Das digitale Bauen hat es also nicht leicht und die Baubranche ist von einer durchgängigen digitalen Prozesskette noch weit entfernt. Solange die meisten Büros die Verwendung von 2D-Dateien und Papierplänen für ausreichend halten und keine Notwendigkeit für BIM sehen, wird die Entwicklung weiter nur sehr gebremst vorwärts schreiten.
Trotzdem wird die Zukunfts des Bauens digital werden und am Ende keine Weg um BIM herumführen. Viele Beteiligte sind sich dessen bewußt und befürchten bereits, dass es künftig bei öffentlichen Ausschreibungen entsprechende gesetzliche Vorgaben geben wird. In sofern empfiehlt sich frühzeitig ein Einstieg in die Technologie.
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