Die Unfallbilanz ist erschreckend und wirft kein gutes Licht auf die Bauwirtschaft. In diesem Jahr sind bis August bereits 56 Bauarbeiter tödlich verunglückt. Allein auf Eigenverantwortung zu setzen, reicht nicht aus. Um diese dramatische Entwicklung zu stoppen, müssen verstärkt Überwachungen durchgeführt werden. Denn oftmals sind die kleineren Betriebe so überlastet, dass hoher Stress die tödlichen Arbeitsunfälle verursacht.
Deutschland steht erneut eine dramatische Bilanz der Arbeitsunfälle am Bau bevor. Die jüngste Veröffentlichung der Berufsgenossenschaft Bau (BG Bau) verheißen nichts Gutes für die Bauwirtschaft. Mit bundesweit 56 tödlich verunglückten Bauarbeitern bis August dieses Jahres nähert sich diese Zahl deutlich dem traurigen Niveau des Vorjahres an. So beklagte die deutsche Bauwirtschaft im Jahr 2021 im gleichen Zeitraum insgesamt sogar 60 Todesfälle auf den Baustellen. “Rein statistisch ist bis August alle vier Tage ein Bauarbeiter ums Leben gekommen”, bringt es Carsten Burckhardt, Mitglied im Bundesvorstand der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau), auf den Punkt. Dabei sei auch die Zahl der insgesamt 65.701 meldepflichtigen Arbeitsunfälle in den ersten acht Monaten dieses Jahres durchaus besorgniserregend.
Mehr Kontrollen gefordert, Arbeitssicherheit ernst zu nehmen
Die dramatische Unfallbilanz erfordert ein entschiedenes Handeln. So spricht sich Burckhardt für den schnellen Aufbau staatlicher Arbeitsschutzkontrollen in allen Bundesländern aus. Zu lange wurde die Überwachung der Arbeitsschutzmaßnahmen personell vernachlässigt. “Die Arbeitsschutzbehörden in den Ländern haben nicht die nötigen Kapazitäten, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz für die Beschäftigten wirksam zu kontrollieren.” Demnach fehle vor allem Personal, um eine verstärkte Überwachung der Einhaltung vom Arbeitsschutz auf den Baustellen sicherzustellen. Schließlich sei die Eigenverantwortung allein nicht ausreichend, um wirkungsvoll Arbeitsunfälle zu vermeiden. ”Wir brauchen einen höheren Kontrolldruck für die Betriebe, die es mit der Arbeitssicherheit nicht wirklich ernst nehmen”, fordert Burckhardt. “Immerhin ist das Spektrum der Unfallquellen breit: vom fehlenden Schutzgeländer im Treppenhaus des Rohbaus über die angebrochene Leitersprosse und das blanke Kabel der Kabeltrommel bis zur fehlenden Spundwand im Schacht.”
Viele Arbeitsunfälle entstehen durch Stress der Bauarbeiter
Abstürze aus großer Höhe und tödliche Verletzungen durch herabfallende Teile gelten zwar als häufigste Ursache der Arbeitsunfälle. Trotzdem sei nach Einschätzung der IG Bau insbesondere der hohe Kosten- und Zeitdruck vor allem in kleineren Betrieben die Hauptursache für den vernachlässigten Arbeitsschutz auf den Baustellen. Denn Hektik und Konzentrationsschwäche führt in allen Bereichen zu einem erhöhten Unfallrisiko. “Der Arbeitsdruck auf dem Bau hat enorm zugenommen”, erklärt Burckhardt. “Es wird zu viel Arbeit auf zu wenige Schultern verteilt. Immer häufiger drücken Bau-Stress und Strapazen aufs Gemüt.” Das führe zu wachsenden psychischen Belastungen und allmählich auftretende körperliche Krankheitssymptome. Fatal sei vor allem, dass die Bauunternehmen trotz Fachkräftemangel immer mehr Aufträge annehmen, erklärt der Gewerkschaftsfunktionär. Wenn dann nicht genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen, müssen die bestehenden Mitarbeiter Überstunden und erhöhtem Druck standhalten. Zwar leiste die BG Bau bereits eine gute und wichtige Arbeit im Hinblick auf die Sicherheit am Bau. Doch sei es äußerst wichtig, angesichts der dramatischen Unfallzahlen und der wachsenden psychischen Belastungen ein vertieftes Problembewusstsein zu schaffen und eine nachhaltige Prävention zu etablieren.