Die deutsche Bauwirtschaft und Bauzulieferindustrie steht vor dem größten Umbruch ihrer Geschichte. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie zu den Auswirkungen der Digitalisierung, des Fachkräftemangels und des Klimawandels. So wird vorhergesagt, dass durch diese Trends sehr viele Handwerksbetriebe und Hersteller vom Markt verschwinden werden. Das bedeutet, dass eine Konsolidierung auf wenige größere Player erfolgen wird. Das zeigt auch, wie nachhaltige Bautrends die Zukunft der Baubranche prägen werden.
Eine aktuelle Umfrage der Münchner Unternehmensberatung S&B Strategy hat ergeben, dass sich die Baubranche innerhalb der nächsten Jahre stark verändern wird. Zu dieser Studie wurden rund 500 Hersteller und Anwender befragt. Ziel war es, die Auswirkungen des Fachkräftemangels, des Klimawandels und der Digitalisierung zu untersuchen und daraus einen Handlungskorridor für die nächsten zehn Jahre abzuleiten. Das Ergebnis zeigt, dass bis zum Jahr 2030 große Veränderungen auf die Branche zukommen werden. So wird damit gerechnet, dass bis zu diesem Zeitpunkt 60.000 Handwerksbetriebe und 4.000 Hersteller vom Markt verschwinden werden. „Die deutsche Bau- und Bauzulieferindustrie steht vor den vielleicht gewaltigsten Umwälzungen ihrer Geschichte“, erklärt Christoph Blepp, Partner für Strategie bei S&B Strategy. “Haben sich die Wertschöpfung, die Vertriebswege und die Prozesse in den letzten 100 Jahren kaum verändert, führen nun gleich mehrere Trends zu einem Transformationsdruck, der einem verlangsamten Asteroideneinschlag in der Branche nahekommt.” Tatsächlich sind der Fachkräftemangel, der Klimawandel und die Digitalisierung der Gebäudehülle im Prinzip keine neuen Themen. Doch erst unter dem Einfluss der aktuellen Dekade entfalten diese Entwicklungen nachhaltig ihre volle Bedeutung auf die Baubranche.
Steigende Komplexität der Bauvorhaben lässt Gewerke verschmelzen
Begünstigt wird diese Entwicklung durch das Verschmelzen einzelner Gewerke bei der Bauausführung. Das wird auch in Zukunft so sein, weil die Komplexität der Bauprozesse ständig steigt. Ein besonderes Beispiel ist die Heizungsinstallation. Eingebunden werden hier SHK-Installateure, Elektroinstallateure und unter Umständen auch Dachdecker. Das stellt die Handwerksbetriebe vor immer größer werdende Anforderungen. Zudem werden die Bauprojekte immer größer und komplexer. Analog dazu nehmen einfache Installationen ab. Besonders im Handwerk sind umfangreichere Fähigkeiten erforderlich, welche zunehmend nur noch von größeren Playern geleistet werden können.
Veränderungen für Hersteller: Das Kundenumfeld ändert sich
Für die Hersteller bedeutet das eine Veränderung des Kundenumfelds. Die Anzahl der vielen mehr oder minder wichtigen Kunden wird deutlich zurückgehen, dafür wird der Anteil an volumenstarken Kunden ansteigen. Es ergeben sich laut Blepp neue Anforderungen entlang der Wertschöpfungskette. „Die Marktbearbeitung muss über Omni-Channel-Ansätze und Preisabsicherung mehr in Richtung Push & Pull gedacht werden, der Service gewinnt stark an Bedeutung, Entwicklungskooperationen und neue Produktportfolios werden erforderlich.“ Daraus ergibt sich, dass die Anforderungen an das Geschäftsmodell der Zukunft auf dem Prüfstand stehen. Viele Akteure haben aber auch erkannt, dass sich ein stärkerer Handlungsbedarf aus klimaneutralen Bauweisen ergibt. Die gesamte Wertschätzung der Bauindustrie wird durch die Digitalisierung verändert. Das betrifft die Planung, die Herstellung bis hin zur Bauausführung. Daraus leitet sich auch ab, dass es immer schwieriger wird, Fachpersonal zu finden. Das Ergebnis ist, dass neue Nischen zu Massenmärkten werden und dass Leistungsangebote, die nicht konform sind, verschwinden werden. Dabei werden sich die Kräfteverhältnisse zwischen neuen und bereits bestehenden Vertriebskanälen zunehmend verschieben. Nachhaltige Bautrends ergeben sich auch daraus, dass komplexe Bauvorhaben in den kommenden Jahren zunehmen werden.