Zwar werden heute erst fünf Prozent aller Baustoffe und Bauprodukte online gekauft, doch dieser Anteil wird in den nächsten 15 Jahren auf beachtliche 25 Prozent ansteigen. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die die Auswirkungen von E-Commerce auf die Baubranche untersucht hat. Während der Großhandel profitiert, wird der Fachhandel bedroht. Das Bauhandwerk dagegen wird sich in zwei Lager aufspalten.
Der Online-Handel verändert auch die Baubranche. Aktuell liegt der Marktanteil von E-Commerce im Baubereich noch bei fünf Prozent. Doch durch die steigende Digitalisierung am Bau wird eine zunehmende Veränderung der Vertriebsstrukturen im Baustoff- und Werkzeughandel sowie Baumarktsegment erwartet. Experten rechnen mit einem erheblichen Anstieg des Online-Handels auf 25 Prozent bis 2030. Das geht aus der Studie “Veränderung der B2C/B2B Marktstrukturen durch E-Commerce” hervor, die die Branchenexperten des Beratungsunternehmens Roland Berger und der Handelsverband Heimwerken, Bauen und Garten (BHB) kurz vor dem Jahreswechsel vorlegten.
Großhandel profitiert vom E-Commerce
Der wachsende Einfluss von E-Commerce beeinflusst die Marktteilnehmer jedoch nicht in gleichem Maße. Die Auswirkungen haben für Großhandel, Fachhändler und Handwerker unterschiedliche Konsequenzen und bieten demnach sehr differenzierte Handlungsoptionen. So hat der Großhandel das größte Potential. “Vor allem gewinnt er dadurch einen zusätzlichen direkten Zugang zum Endkunden, sei es der Endverbraucher (B2C) oder der Handwerksbetrieb (B2B)”, erläutert Sascha Haghani, stellvertretender Deutschlandchef von Roland Berger und Leiter des Competence Center Restructuring & Corporate Finance. Schließlich sind die Voraussetzungen für den Großhandel zum Auf- und Ausbau im Online-Handel sehr gut. Die Unternehmen können aus einem großen Produktsortiment schöpfen, verfügen über detaillierte und visualisierte Produktbeschreibungen und können aufgrund des Volumens günstige Preise anbieten. Außerdem hat der Großhandel in der Regel bereits alle benötigten Strukturen zur zentralen Steuerung von Kundenberatung, Online-Marketing und Zahlungsabwicklung. Doch Haghani warnt aufgrund der wachsenden Konkurrenz vor allzu großer Euphorie: “Trotz der guten Startbedingungen ist der Erfolg im Onlinegeschäft auch für den Großhandel keineswegs garantiert.”
Bauhandwerk wird Schrauber oder Weiterverarbeiter
Der wachsende Einfluss von E-Commerce in der Baubranche hat auch direkte Auswirkungen auf das Bauhandwerk. Die Experten gehen von einer Aufspaltung in zwei Richtungen aus: In den Gewerken mit einem hohen Einfluss der Produkte auf den Kundenauftrag, wie beispielsweise im SHK- oder Elektrohandwerk wird sich die Rolle des Handwerkers zunehmend in Richtung einer Montage- und Service-Dienstleistung verändern. Geht es im Kern des Auftrags jedoch eher um die (Weiter-)Verarbeitung, wie beispielsweise beim Dachdecker oder Maurer, so bleiben Wissen, Kompetenz und Know How des Handwerkers entscheidend.
Nutzung E-Commerce im Bauhandwerk ist altersabhängig
Hinsichtlich der eigenen Materialbeschaffung ist die Online-Affinität zum E-Commerce im Bauhandwerk noch recht schwach ausgeprägt und maßgeblich altersabhängig. “Gerade die ‘Digital Natives’ nutzen den Onlinehandel auch im Handwerk sehr intensiv. Das treibt die Spaltung mittel- bis langfristig voran”, erläutert BHB-Hauptgeschäftsführer Dr. Peter Wüst. So wird der Generationswechsel im Baugewerbe das E-Commerce zusätzlich beleben.
Steigender Wettbewerb im Fachhandel
Auch Fachhandel und Baumärkte sind durch E-Commerce stark bedroht. Denn für DIY- und Fachhandel steht außer Frage, den Kundenansprüchen zu folgen und ihre Produkte auch online anzubieten. Durch die dadurch entstehende Preistransparenz in direkter Konkurrenz zu Direktverkäufen von Herstellern und Großhandel steigt für den Fachhandel der Druck und stellt sein Geschäftsmodell in Frage. “Der jetzt schon existierende Verdrängungswettbewerb im DIY- und Fachhandel wird durch die Digitalisierung des Vertriebs weiter an Intensität zunehmen”, bestätigt Wüst. Daher bieten sich für den Handel laut Empfehlung der Experten von Roland Berger und BHB eigentlich nur drei Möglichkeiten, dem steigenden E-Commerce zu begegnen:
Strategie 1: Kundenzentrierung mit Hilfe von Multikanal-Absatz
Zum einen sollten sich Fachhändler auf den Mulitkanal-Absatz konzentrieren. Dabei sollten sämtliche Kontaktpunkte zum Kunden bedient und relevante Angebote geschaffen werden. “Dazu müssen alle Kanäle, also der Online-Shop, Website, App etc. sowie der stationäre Verkaufspunkt ineinander greifen und über ein integriertes Customer-Relationship-Management gesteuert werden”, betont Haghani. Darüber hinaus sollten die gesammelten Daten analysiert und für zielgerichtete Marketing- und Vertriebsmaßnahmen genutzt werden.
Strategie 2: Fokussierung auf einzelne Warengruppen
Da ein großes Warensortiment schwieriger zu vermarkten ist als ein kleines, bietet auch die Fokussierung auf separate Warengruppen einen Vorteil. Dazu ist eine markt- und ziegruppen-gerechte Aufstellung mit hoher Differenzierung notwendig. Jeder Händler sollte seine Warengruppen genau analysieren und auf die aussichtsreichesten konzentrieren. Natürlich gilt auch dabei der Multikanal-Absatz.
Strategie 3: Strategische Allianzen mit ausgewählten Großhändlern
Durch diese Partnerschaften können Fachhändler von den Potentialen der Großhändler profitieren. “Und sie bieten viele Vorteile: DIY- und Fachhändler können ihren Aufwand für den Onlineauftritt erheblich reduzieren, wenn sie bestimmte Aufgaben vom Großhandel erledigen lassen”, so Haghani. Dadurch erhält der Großhändler direkten Kontakt zum Kunden und kann den Beratungsservice vom Fachhandel nutzen.