Bereits seit Jahren verteuern sich kontinuierlich die Leistungen am Bau. Dabei haben zuletzt besonders die Lieferengpässe zu deutlichen Preissteigerungen bei Holz, Dämmung und Stahl geführt. Diese Beschaffungsprobleme der Baumaterialien belasten zunehmen die Bauwirtschaft. Doch es gibt Hoffnung. Die Anpassung bestehender Verträge und entsprechende Klauseln in Neuverträgen, aber auch innovative Lösungen und der Einsatz von recycelten Baumaterialien helfen, den gestiegenen Baumaterialpreisen Herr zu werden.
Die Verknappung der Baustoffe und die extremen Preissteigerungen der Baumaterialien machen der Bauwirtschaft aktuell schwer zu schaffen. So spricht der Bundesverband ProHolzfenster sogar von einer Preissteigerung von satten 275 Prozent bei Konstruktionsvollholz von Januar 2021 bis Juni 2021 aufgrund von Waldschäden und Handelshemmnissen. “Die Wirtschaft ist trotz Pandemie schneller wieder angelaufen als erwartet”, erklärt Burkhard Siebert, Hauptgeschäftsführer beim Bauindustrieverband Hessen-Thüringen, die Lieferengpässe und Stoffpreisänderungen. “Andererseits gibt es pandemiebedingte Reduzierungen in der Produktion und Störungen in der Lieferkette. Das führt zu einer angespannten Situation, wie wir sie in der Nachkriegszeit noch nie hatten.” Innerhalb kürzester Zeit sind fast alle Preise aufgrund gestiegener Nachfrage explodiert. “Für Bauholz mussten die Unternehmen im Mai 38 Prozent, für Dachlatten sogar 43 Prozent mehr bezahlen als im Vorjahr, Betonstahlmatten kosteten 30 Prozent, Betonstahl 44 Prozent und Bleche sogar 52 Prozent mehr”, erklärt Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB).
Fast alle Baubetriebe spüren die gestiegenen Baumaterialpreise
Auch das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München (ifo Institut) bestätigt die dramatische Situation. 95,2 Prozent der Befragten verspürten demnach steigende Einkaufspreise in den vergangenen drei Monaten. Laut dem ifo Institut stieg in diesem Zeitraum der Anteil der vom Materialmangel und von steigenden Einkaufspreisen betroffenen Bauunternehmen im Hochbau von 23,9 Prozent im April auf 43,9 Prozent im Mai und 50,4 Prozent im Juni. Noch deutlich äußerten sich die Herausforderungen im Tiefbau, wo die Bauunternehmen im März mit 2,9 Prozent so gut wie noch überhaupt keine Lieferprobleme hatten. In diesem Bereich stieg der Anteil der durch Lieferverzögerungen betroffenen Betriebe auf 33,5 Prozent im Mai und 40,5 Prozent im Juni. Auf vielen Baustellen sind vor allem Schnittholz und erdölbasierten Baustoffe Mangelware. “So fehlt es vielerorts an synthetischen Dämmmaterialien, Kanalgrundrohren und anderen Kunststoffteilen”, bestätigt ifo-Umfrageexperte Felix Leiss. “Dazu kommen die Lieferprobleme und Preissteigerungen beim Stahl.”
Höhere Baumaterialpreise erhöhen auch die Baukosten
Von den knappen Rohstoffen und gestiegenen Materialpreisen betroffen sind aber auch viele Hersteller von Baustoffen und Installationsmaterialien. Mit 86 Prozent rechnet die Mehrheit der 36 vom Marktforschungsinstitut BauInfoConsult befragten Unternehmen sogar mit einer langfristigen Situation. Nur 12 Prozent sprechen von einem kurzfristigen Engpass. Damit werden die ohnehin bereits seit Jahren steigenden Baukosten durch steigende Materialpreise weiter in die Höhe getrieben.
Diese Auswirkung mache sich bereits in der Bauwirtschaft bemerkbar. “Die überdurchschnittliche Preissteigerung beim Neubau von Wohngebäuden im Mai 2021 von 6,4 Prozent binnen Jahresfrist ist auf die stark gestiegenen Baumaterialpreise zurückzuführen”, bestätigt HDB-Hauptgeschäftsführer Müller. Alleine die Preise für Zimmer- und Holzbauarbeiten seien demnach innerhalb eines Jahres um 28,5 Prozent gestiegen. Doch nicht nur der Wohnungsbau leidet unter den Preissteigerungen. Auch der Neubau von Büro- und Betriebsgebäuden sowie Straßenbrücken sei um 5,4 bis 6,6 Prozent gestiegen.
Negative Auswirkungen auf die Bauwirtschaft
Die große Herausforderung für Wirtschaft und Politik besteht nun darin, dass die Anbieter von Bauleistungen nicht auf gestiegenen Kosten sitzen bleiben und die Nachfrager wegen der Preisentwicklung nicht abgeschreckt werden. Das Erreichen der ambitionierten Klimaziele steht schließlich auf dem Spiel. Dies birgt auch eine große Chance für die Forschung und Innovationsabteilungen, neue Ansätze auszutesten und das Bauen mit recycelten Baumaterialien zu forcieren.
Bereits ab März 2020 hatte die Bundesregierung mit den sogenannten “Corona-Erlassen” auf unvorhersehbare Situationen für Auftragnehmer reagiert, die den Tatbestand der höheren Gewalt erfüllen. So werden damit der Anspruch auf Bauzeitverlängerung, die Vertragsstrafen nur in Ausnahmefällen und die Vereinbarung von Stoffpreisgleitung geregelt. Ferner hat der Bund bei Bundesbauvorhaben die Übernahme der Mehrkosten für Hygiene- und Gesundheitsschutzmaßnahmen beschlossen.
Wie Bauunternehmen auf Preissteigerungen reagieren können
Doch auch bei bestehenden Verträgen kann eine Anpassung vereinbart werden. So kann der Auftragnehmer eine Vertragsanpassung zur Bauzeitverlängerung aufgrund Materialknappheit wegen höherer Gewalt einfordern. Ein Anspruch auf Vertragsanpassung wegen einer Preissteigerung ist dagegen schwieriger durchzusetzen. Hier gilt der § 313 BGB, nach dem Verträge eingehalten werden müssen. Als einzige Ausnahme sieht der Paragraf eine Störung der Geschäftsgrundlage vor. Dabei ist zu prüfen, ob die Vertragsparteien den Vertrag so geschlossen hätten, wenn sie die veränderten Umstände vorhergesehen hätten. Außerdem muss geklärt werden, ob das Festhalten am Vertrag für eine der Parteien zumutbar wäre. Dies ist jedoch schwer zu beurteilen und muss hinsichtlich der Beweislast vom Anspruchsteller nachgewiesen werden. “Außergewöhnliche Ereignisse außerhalb des typischen Vertragsrisikos, erhebliche Preissteigerungen in kurzer Zeit sowie Umstände, die außerhalb des Einfluss- und Risikobereichs des Schuldners liegen – das könnte durchaus als Störung der Geschäftsgrundlage gewertet werden”, erklärt Siebert und verweist auf bisher fehlende Urteile.
Bei Neuverträgen empfiehlt der Bundesverband ProHolzfenster den Einbau von Sicherungen. Diese könnte von der Vereinbarung einer Obergrenze für von Auftragnehmern zu vertretenden Preissteigerungen bis hin zur Materialbestellung auf Rechnung des Bauherren reichen. Auch die Vereinbarung einer Stoffpreisgleitklausel schützt vor deutlicher Preissteigerung, bedeutet aber bei einer Senkung der Einkaufspreise auch eine mögliche Rückzahlung.
Der Bund deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieue (BDB) fordert sogar eine regulative Stärkung des Marktes, ohne jedoch den weltweiten Baustoffhandel einzuschränken. So sollte laut BDB die Möglichkeit zur Lagerung bautauglichen Holzes in den Wäldern geprüft und gesetzliche Rahmenbedingungen zur Regulierung der Baustoffkontingente geschaffen werden. “Gerade im Sinne der Klimaziele darf klimagerechtes Planen und Bauen nicht zu teuer sein”, erklärt BDB-Präsident Christoph Schild. “Deshalb muss nicht nur die bauliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe gefördert, sondern auch deren Verfügbarkeit bedarfsgerecht sichergestellt werden.”