Mobile Generalisten verändern traditionelles Baugewerbe
Das traditionelle Baugewerbe steht vor einem fundamentalen Umbruch. So etablieren sich vor allem bei Renovierung und Sanierung privater Bauvorhaben immer häufiger sogenannte “Mobile Generalisten”. Diese neue Generation an Handwerkern ist flexibel, komplett mobil und arbeitet mit einer optimalen Kostenstruktur ohne große Fixkosten einer Werkstatt. Außerdem profitieren sie als kundenfreundliche Qualitätsanbieter vom wachsenden Trend von “Do-it-youself” zu “Do-it-for-me”.
Seit einigen Jahren wandelt sich das traditionelle Baugewerbe nachhaltig und stellt nicht nur den Fachhandel vor große Herausforderungen. Vor allem durch die Änderung der Handwerksordnung 2004, die EU-Osterweiterung und den neuen Trend, Renovierungsarbeiten verstärkt von Profis durchführen zu lassen, haben sich immer mehr “werkstattlose Handwerker” oder sogenannte “Mobile Generalisten” am Markt etabliert. Laut dem “hagebau report 2015” ist die Zahl der Betriebe innerhalb von zehn Jahren von 70.000 auf 120.000 angestiegen. Damit liegt der Marktanteil bereits heute bei 25,5 Prozent und wird schätzungsweise in den nächsten fünf Jahren auf fast 30 Prozent ansteigen. Das Marktforschungsinstitut B+L Marktdaten GmbH hatte im Auftrag des hagebau Fachhandels 177 “mobile Generalisten” und 139 traditionelle Handwerker befragt, um nähere Erkenntnisse über betriebliche Strukturen, deren Leistungsspektrum und Tätigkeiten zu gewinnen. Ferner wurden Einkauf, Informationsbeschaffung und weitere betriebliche Abläufe hinterfragt.
Mobile Generalisten verzichten demnach bewusst auf immobile Strukturen wie Werkstatt oder Büro und sind ausschließlich mobil erreichbar. Damit grenzen sie sich klar vom traditionellen Handwerker ab und üben durchschnittlich drei unterschiedliche Gewerke aus. Der Mobile Generalist hat einen Kleinbetrieb mit bis zu fünf Mitarbeitern bei einem Durchschnitt von 1,6 Mitarbeitern. Dabei liegt die genaue Verteilung der Mitarbeiter zu 63 Prozent bei einem Mitarbeiter, zu 19 Prozent bei zwei Mitarbeitern, zu 10 Prozent bei drei Mitarbeitern, zu 6 Prozent bei vier Mitarbeitern und zu 2 Prozent bei fünf Mitarbeiter. Über 50 Prozent der Arbeiten der Kleinbetriebe machen Fußbodenarbeiten, Malerarbeiten, Trockenbauarbeiten und Badsanierungen aus. Mit steigender Anzahl an Mitarbeitern werden auch Arbeiten an Gebäudehülle ausgeführt, wie z. B. Dach, Fassade oder Fenstern. Mobile Generalisten werden zu 43 Prozent primär von privaten Bauherren und Modernisierern beauftragt. Dabei entfallen 80 Prozent auf Tätigkeiten im Bereich Renovierung und Sanierung. Oftmals werden sie sogar traditionellen Handwerksbetrieben vorgezogen, weil sie alles aus einer Hand anbieten und Nebenaufträge vergleichsweise unkompliziert anbieten. Dabei ist die Kundenzufriedenheit für Mobile Generalisten die einzige Werbemöglichkeit. Aufgrund dessen ist die Weiterempfehlung für 93 Prozent der Befragten das wichtigste Instrument zur Kundengewinnung.
2014 haben die Mobilen Generalisten einen Jahresumsatz von 14,7 Milliarden Euro erwirtschaftet, was einem Anteil von 5,1 Prozent am gesamten deutschen Bauvolumen entspricht. Laut Prognose wird mit einem weiteren Umsatzanstieg von 4,1 Prozent gerechnet, so dass für 2020 ein Umsatzvolumen von 20 Milliarden Euro vorausgesagt wird. “Da sie im Prinzip keine Verwaltungskosten oder Abschreibungen auf Gebäude und Maschinen mit in ihre Kalkulation einbeziehen müssen, werden sie insbesondere bei Montagearbeiten weiter an Marktanteilen gewinnen”, prognostiziert B+L-Geschäftsführer Martin Langen.
Damit seien die Mobilen Generalisten kein kurzfristiger Trend sondern ein nachhaltiger Wandel des traditionellen Handwerks, bestätigt auch Hartmut Goldboom, Geschäftsführer hagebau Fachhandel. “Dieser Prozess wird sich verstärkt fortsetzen, denn viele der ‘mobilen Generalisten’ betrachten ihre selbständige Arbeit als erste Stufe für den Aufbau eines traditionellen Handwerksunternehmens.” Damit werden die Mobilen Generalisten von heute zu traditionellen Handwerkern von morgen, vermutet auch Langen. Denn die neue Generation an Handwerkern verstehen sich selbst als flexibel und kundenfreundlich mit einem breiten Leistungsangebot von hoher Qualität zu einem günstigen Preis bei hoher Termintreue. Damit reagieren Mobile Generalisten vor allem auf den aktuellen Trend zum “Do-it-for-me” und der damit verbundenen Professionalisierung des Bauens. Denn der Anteil von “Do-it-yourself” ist in den vergangenen Jahren vor allem in den Altersgruppen 28 bis 35 und 52 bis 60 deutlich zurückgegangen. Das liegt zum einen daran, dass es unter den jüngeren immer mehr Akademiker gibt, die in der Regel über ein überdurchschnittliches Haushaltsnettoeinkommen verfügen. Und auch die Älteren sind eher bereit, handwerkliche Leistungen ausführen zu lassen. Da in den kommenden fünf bis acht Jahren der geburtenstarke Jahrgang der “Babyboomer” in diesen Altersbereich kommt, wird der prognostizierte Anstieg der Mobilen Generalisten weiter bestätigt.
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