Öffentliche Großprojekte scheitern oft an schlechter Planung

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Foto: Roland Riethmüller

Die deutlichen Kostenüberschreitungen bei vielen öffentlichen Großprojekten sind hausgemacht. Das hat eine Studie der Hertie School of Governance herausgefunden. Dabei sind der Flughafen BER und die Hamburger Elbphilharmonie exemplarisch für vermeidbare Fehler zu sehen. Im Vergleich schneiden jedoch Verkehrsprojekte und öffentliche Bauprojekte verhältnismäßig glimpflich ab. Die größten Kostensteigerungen sind in anderen Sektoren zu suchen.

Viele öffentliche Großprojekte sind eigentlich vorhersehbar kostentechnisch aus dem Ruder gelaufen. Zu diesem Ergebnis kommt die Hertie School of Governance durch die mit Unterstützung der Karl Schlecht Stiftung realisierten Studie „Großprojekte in Deutschland – zwischen Ambition und Realität“. Unter der Leitung von Prof. Dr. Genia Kostka, Professorin für Governance von Energie und Infrastruktur, wurden insgesamt 170 Großprojekte aus den Bereichen öffentliche Gebäude, Verkehr, Energie, Rüstungsbeschaffung sowie Informations- und Kommunikationstechnologie (ITK) zwischen 1960 und 2014 analysiert. Darunter befinden sich 119 abgeschlossen und 51 noch im Bau befindliche Großprojekte. Besonderen Augenmerk wurde in drei gesonderten Fallstudien auf den Berliner Großflughafen BER, die Hamburger Elbphilharmonie und Offshore-Windparks gerichtet. Grundsätzlich wird dabei deutlich, dass viele Kostenexplosionen vermeidbar gewesen wären, so Kostka. Oft wurden bereits während der Vorplanungsphase und bei der Projekt-Governance gravierende Fehler gemacht, die zu teilweise dramatischen Kostenexplosionen führten. „Durch Großprojekte mit explodierenden Kosten droht die Politik an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Unsere Forschungen zeigen, dass man wirksam gegensteuern kann“, erläutert die Professorin.

Insgesamt 59 Milliarden Euro Mehrkosten haben alle 170 Großprojekte gemeinsam über die letzten 44 Jahre verursacht. Der mengenmäßig größte Anteil an vollendeten und unvollendeten Großprojekten kommt mit 87 aus dem Sektor „Gebäude“. Die Durchschnittgröße der Projekte lag allerdings nur bei 176 Millionen Euro, darunter waren viele kleine Projekte unter 50 Millionen Euro. Daher trägt diese Segment mit sechs Prozent nur zu einem sehr geringen Anteil an den Mehrkosten bei. Die Kostensteigerung schwangt zwischen –46 Prozent und +425 Prozent. Zum Vergleich: ITK-Großprojekte lagen im Schnitt 200 Prozent über Plan und schwankten sogar zwischen –4 und +1150 Prozent.

Der zweitgrößte Sektor ist mit 51 Großprojekten der „Verkehr“. Mit 27 Prozent stellt er den größten Anteil an den Gesamtmehrkosten vor dem ITK-Sektor (25 Prozent) und den Sektoren Energie und Rüstungsbeschaffung mit jeweils 19 Prozent. Im Verkehrssektor entfallen 24 Großprojekte auf den Straßenbau mit durchschnittlich 27 Prozent Kostensteigerung und einer Schwankung von –23 bis +125 Prozent. Ferner fallen unter den Verkehrssektor auch 12 Großprojekten aus dem Schienenbau mit einer durchschnittlichen Kostensteigerung von 30 Prozent bei einer Schwankungsbereich von –10 bis +59 Prozent. Außerdem gehören 6 Großprojekte aus dem Flughafenbau ebenso dazu, die im Schnitt 56 Prozent teuerer waren und zwischen –3 und +148 Prozent variierten.

Zur Lösung der Probleme mit Kostensteigerungen bei Großprojekten empfiehlt die Hertie-Studie eine bessere Integration von kompetenten Personen aus der Privatwirtschaft und dem Baugewerbe in die Aufsichts- und Steuerungsgremien. Darüber hinaus sollten öffentliche Bauträger projekterfahrene Partner in die Projektorganisation mit einbeziehen, um auf Augenhöhe mit privaten Bauunternehmen zu handeln. Außerdem müssen Steuergelder geschützt und das Risikomanagement verbessert werden. Dazu bietet sich die finanzielle Beteiligung einer Realisierungsgesellschaft oder die Beauftragung eines Generalunternehmers an. Ansonsten sollte auch eine ausreichende Planungstiefe gegeben sein, um weitere Kosten durch fortwährende Planänderungen zu vermeiden.

Als weitere Vorschläge zur Kostensenkung von öffentlichen Großprojekten verweisen die Forscher auf die britische Major Project Authority. Nach dem Muster dieser öffentlich zugänglichen Datenbank könnten große Infrastrukturprojekte erfasst und ausgewertet werden. Darüber hinaus sollten durch sektorspezifische Referenzklassen bereits in der Planung „Risiko-Aufschläge“ einkalkuliert werden.

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