Mit großer Mehrheit hat das Europaparlament einer Reform der Entsenderichtlinie zugestimmt. Spätestens ab Mitte 2020 sollen entsendete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem EU-Ausland dieselben Lohnbedingungen haben wie einheimische Arbeitskräfte. Während die Arbeitnehmervertreter aus der Bauwirtschaft die neue Regelung begrüßen, halten die Arbeitgebervertreter die Neuregelung für „überzogen“. So erhalten entsendete Fachkräfte nicht nur den gleichen Lohn sondern profitieren auch von weiteren Benefits.
Ziel der Entsenderichtlinie sei ein Mindestmaß an Schutz für Arbeitnehmer gewesen, erklärt Felix Pakleppa, der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes (ZDB). Dass nun weitere Vergütungsbestandteile in die Richtlinie einbezogen werden, steht aus seiner Sicht dem ursprünglichen Ziel der Richtlinie entgegen. Der ZDB spreche sich durchaus dafür aus, dass entsandte Arbeitnehmer zu denselben Lohnkosten auf deutschen Baustellen arbeiten wie einheimische Facharbeiter. Aufgrund deutlich niedrigerer Sozialabgaben und einer ebenfalls deutlich niedrigeren Steuerbelastung werde dieser Zustand jedoch auch mit der neuen Entsenderichtlinie nicht erreicht, heißt es in der Stellungnahme des ZDB.
Darüber hinaus verweist der Zentralverband auf die aus seiner Sicht schwierige Kontrolle der neuen Regeln. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) habe bereits jetzt Schwierigkeiten, die Einhaltung des Mindestlohns flächendeckend zu kontrollieren. Der ZDB befürchtet hier eine Überforderung, wenn zusätzlich Kontrollen weiterer Vergütungsbestandteile wie der Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge anstehen.
IG Bau sieht besseren Schutz vor Ausbeutung
Eine ganz andere Meinung als der ZDB vertritt die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau). Ihrer Meinung nach schütze die Revision der Entsenderichtlinie innerhalb der EU entsandte Fachkräfte besser vor Ausbeutung und erschwere Briefkastenfirmen und anderen kriminellen Geschäftemachern das Handwerk. Der IG-Bau Bundesvorsitzende Robert Feiger sieht in der Revision der Richtlinie einen Schritt zu einem sozialeren Europa. Man nehme die Menschen wieder in den Blick, sagte er. Mit Blick auf den Rechtsruck innerhalb Europas müsse Europa auf dem eingeschlagenen Weg bleiben und seinen Worten weitere Taten folgen lassen.
Der Kompromiss steht seit Ende Februar
Die jetzt vom Europaparlament beschlossene Neuregelung der Entsenderichtlinie basiert auf einer Grundsatzeinigung. Erreicht wurde sie Ende Februar 2018 von Vertretern des EU-Parlaments, der EU-Kommission und einzelner EU-Länder. Die Neuregelung sieht nicht nur vor, dass entsandte Fachkräfte ab Mitte 2020 den gleichen Lohn erhalten wie einheimische Arbeitskräfte. Sie profitieren von Rechtsvorschriften und Tarifverträgen für vergleichbare einheimische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Kosten für Reise, Verpflegung und Unterkunft dürfen nicht von ihrem Lohn abgezogen werden.
Darüber hinaus begrenzt die neu geregelte Entsenderichtlinie die Dauer einer Entsendung. Sie liegt jetzt im Regelfall bei maximal zwölf Monaten und lässt sich im Ausnahmefall um sechs Monate verlängern. Nach dieser Zeit gelten für entsandte Arbeitskräfte sämtliche im Gastland existierenden und für ihre Arbeit relevanten arbeitsrechtlichen Vorschriften. Die EU-Mitgliedsländer haben jetzt zwei Jahre Zeit, die Regeln in nationales Recht zu überführen, sobald der Text der neuen Richtlinie im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde.