Aus diversen Gründen besteht in der Bauwirtschaft ein besonders hohes Konfliktpotential. So mussten sich die Bauunternehmen im vergangenen Jahr mit rund 100.000 Gerichtsverfahren rumplagen. Vielen davon wären vermeidbar gewesen, sagt eine aktuelle Studie. Denn mit Hilfe der außergerichtlichen Streitbeilegung könnten am Bau deutlich Zeit und Kosten eingespart werden. Daher wird bis zum Jahr 2025 ein Anteil von 40 Prozent angestrebt.
In Jahr 2017 gab es in Deutschland über 100.000 Gerichtsverfahren rund um das Thema Bau und 240.000 Gerichtsverfahren wegen Mietstreitigkeiten. Eine außergerichtliche Streitbeilegung wäre hier oft die bessere Alternative gewesen. Dass diese Alternative eher selten gewählt wurde, liegt an fehlenden Kenntnissen und Erfahrungen sowie mangelnden Kompetenzen im Umgang mit außergerichtlichen Lösungen. Das geht aus einem aktuellen Forschungsbericht des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) hervor. Dessen kürzlich vorgelegter Forschungsbericht trägt den Titel „Ursachen der Bevorzugung von Gerichtsverfahren gegenüber der außergerichtlichen Streitbeilegung durch die Streitparteien im Bauwesen“. Auftraggeber war die Deutsche Gesellschaft für Außergerichtliche Streitbeilegung in der Bau- und Immobilienwirtschaft (DGA-Bau).
Hohes Konfliktpotential am Bau
Effiziente Konfliktlösungsverfahren sind insbesondere im Bausektor wichtig, denn vor allem bei Bauvorhaben besteht ein hohes Konfliktpotenzial. Ursachen dafür sind die Vielzahl beteiligter Personen und Unternehmen, ein hoher Zeit- und Wettbewerbsdruck sowie die „hohe technische und organisatorische Komplexität der Projekte“. Dies führte nicht selten zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. Dabei standen den über 100.000 Gerichtsverfahren rund um „Konflikte beim Planen, Bauen und Betreiben von Bauten und Anlagen“ nur etwa 2.000 ADR-Verfahren (Alternative Dispute Resolution) gegenüber. Schiedsgerichtsbarkeit, Adjudikation und Mediation sind Beispiele für solche Verfahren.
Der Gang vor Gericht hat gravierende Nachteile
Bei gerichtlichen Auseinandersetzungen entstehen in der Regel hohe Kosten. Die Verfahrensdauer ist oft lang und der Ausgang der Gerichtsverfahren ungewiss. Darüber hinaus stoße das deutsche Rechtssystem bei komplexen Bausachprozessen oft an seine Grenzen. Es gehe hier „nicht nur um rechtliche, sondern häufig auch um technische Fragestellungen“, wird eine wissenschaftliche Arbeit (Bock-Wehr) aus dem Jahr 2016 im Forschungsbericht zitiert. Außergerichtliche Streitbeilegung hätten diese Nachteile nicht.
Anteil der ADR-Verfahren an Konfliktlösungen soll steigen
Die DGA-Bau möchte mit dem von ihr in Auftrag gegebenen Forschungsbericht dazu beitragen, den Anteil von ADR-Verfahren in der Bau- und Immobilienbranche deutlich zu erhöhen. Mit einer Agenda 2025 strebt sie einen Anteil von 40 Prozent bei den Konfliktlösungen in beiden Branchen an. Um die außergerichtliche Streitbeilegung zu fördern, haben die Autorinnen und Autoren des Forschungsberichts einige Handlungsempfehlungen formuliert. Sie richten sich an Berufsverbände und Berufsvereinigungen, Bauunternehmen, Bauherren, Baujuristen und -planer sowie an den Gesetzgeber und potenzielle Anwender, die bisher eher selten auf eine außergerichtliche Streitbeilegung setzen.
Die Empfehlungen im Forschungsbericht gliedern sich in die folgenden fünf Handlungsfelder: Information und Kommunikation, Ausbildung und Weiterbildung, ADR-verfahrensspezifische Maßnahmen, Maßnahmen in der Organisation der Streitparteien sowie regulatorische Maßnahmen zur Förderung von ADR-Verfahren. Empfohlen werden als kurzfristige Maßnahme im Handlungsfeld 1 (Information und Kommunikation) zum Beispiel „Informations- und Kommunikationskampagnen mit allen Beteiligten im Bauwesen als Adressaten“. Im Bereich der Weiterbildung sollen Fachanwaltskurse kurzfristig Kompetenzen im Konfliktmanagement vermitteln. Langfristig soll Konfliktmanagement auch in die Bildungspläne von Schulen einbezogen werden.