Unternehmersein hängt auch im Handwerk von Eigenschaften der Persönlichkeit ab. „Extraversion“, „Offenheit für Neues“, „Risikotoleranz“ und „Selbstwirksamkeit“ – diese vier Faktoren erhöhen im Handwerk wie in anderen Wirtschaftszweigen die Wahrscheinlichkeit, dass jemand ein Unternehmen gründet. Dabei weist das Handwerk aber im Vergleich einige Besonderheiten auf. Gründerberater sollten den Einfluss der Persönlichkeitsmerkmale auf Entscheidungen bei ihren Beratungsgesprächen berücksichtigen. Das sind Ergebnisse einer aktuellen Studie.
Die Studie stammt vom Volkswirtschaftlichen Instituts für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen (ifh Göttingen). Sie trägt den Titel „Unternehmersein im Handwerk – Eine Frage der Persönlichkeit?“ Laut der Studie fallen die beiden Merkmale Extraversion und Selbstwirksamkeit im Handwerk stärker ins Gewicht als in anderen Branchen. Extraversion ist der Fachbegriff für die Charaktereigenschaft extrovertierter (auch: extravertierter) Menschen, die zu Geselligkeit und Optimismus neigen. Um ein Unternehmen zu führen ist Ersteres wichtig, weil Unternehmersein mit zahlreichen Kontakten zu Kunden, Lieferanten und Mitarbeitenden verbunden ist. Als Selbstwirksamkeit bezeichnet man die innere Überzeugung, Herausforderungen aus eigenem Antrieb meistern zu können. Gewissenhaftigkeit gehört zu den Merkmalen einer Persönlichkeit, die nur im Handwerk für die Entscheidung zum Unternehmersein bedeutsam ist. Das Merkmal Risikobereitschaft ist dagegen im Handwerk weniger wichtig als in anderen Branchen.
„Craftsmen Entrepreneur“ strebt nach Selbstbestimmung
Die Studie stellt den „Craftsmen Entrepreneur“ mit einem beruflich-betrieblichen Bildungshintergrund dem „Opportunistic Entrepreneur“ mit akademischem Hintergrund gegenüber. Handwerker gehören mehrheitlich zur Gruppe der „Craftsmen Entrepreneur“. Sie weist im Vergleich wichtige Unterschiede zum Opportunistic Entrepreneur auf. Beim Opportunistic Entrepreneur ist die Motivation, finanzielle Gewinne zu erzielen und eine erfolgreiche Organisationsstruktur aufzubauen, stärker ausgeprägt. Dagegen speist sich die Motivation zum Unternehmersein beim Craftsmen Entrepreneur eher durch den Wunsch nach Selbstbestimmung und persönlicher Autonomie. Der Craftsmen Entrepreneur legt seinen unternehmerischen Fokus zudem eher auf Stabilität statt auf Wachstum. Unternehmerische Innovationen erfolgen bei ihm meist schrittweise und kundenspezifisch und Marketingstrategien betonen oft die Qualität der angebotenen Leistung. Die Studienautoren bezeichnen die beiden Formen von Unternehmersein allerdings als idealtypisch. Das bedeutet, dass in der Realität häufig Mischformen aus beiden existieren.
Studienergebnisse sind wichtig zum Unternehmersein
Gründungsberater sollten aus Sicht der Studienautoren Petrik Runst und Jörg Thomä Persönlichkeitsmerkmale berücksichtigen, um lohnende handwerkliche Gründungsvorhaben zu identifizieren. Die Autoren empfehlen darüber hinaus, solche Merkmale stärker bei der Ansprache spezieller Zielgruppen wie Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund einfließen zu lassen. Sie verweisen beispielsweise darauf, dass Frauen finanzielle und persönliche Risiken bei der Entscheidung zum Unternehmersein als hoch einstufen. Dabei – so die Studienautoren weiter – sei die Selbstständigkeit im Handwerk mit einem vergleichsweise geringerem Risiko verbunden als Selbstständigkeit im Nicht-Handwerk.