Sind einem Tiefbauunternehmer vom Versorgungsunternehmen Bestandspläne mit eingezeichneten Leitungen übergeben worden, darf dieser sich darauf verlassen, dass darüber hinaus keine weiteren Leitungen im Baugrund vorhanden sind. Weitere eigene Erkundungen muss der Tiefbauunternehmer danach nicht vornehmen.
Bevor ein Tiefbauunternehmen eine Ausschachtung des Bodens vornimmt, hat es sich grundsätzlich genaue Kenntnisse darüber zu verschaffen, ob und wo Versorgungsleitungen im Boden vorhanden sind, die zu beachten sind. Bei Verletzung dieser Pflicht haftet der Unternehmer für jeden Schaden, der an den im Boden befindlichen Leitungen entsteht ebenso wie für mögliche Folgeschäden bei einer Havarie während der Ausschachtungs-arbeiten.
In der Regel kommt der Unternehmer dieser Pflicht dadurch nach, dass er bei den zuständigen Versorgungsunternehmen nachfragt und sich dort die entsprechenden Unterlagen – Leitungspläne – verschafft. Leider kommt es immer wieder vor, dass diese Leitungspläne unvollständig oder veraltet sind, d.h. die tatsächlich im Boden vorhandenen Leitungen nicht im vollen Umfang wiedergeben. Kommt es dann bei den Ausschachtungsarbeiten zu Beschädigungen an Leitungen, die nicht in den Leitungsplänen eingezeichnet waren, versucht der Auftraggeber den Schaden vom Unternehmer herein zu bekommen.
Das Oberlandesgericht Brandenburg hat in einer neuen Entscheidung einen solchen Fall zu beurteilen gehabt und klargestellt, dass der Unternehmer zwar verpflichtet ist, sich Kenntnisse über den Leitungsverlauf in dem von ihm zu bearbeitenden Boden zu verschaffen und sich dafür Leitungspläne bei den zuständigen Versorgungsunternehmen zu besorgen. Er kann aber nicht haftbar gemacht warden, wenn in den ihm vom Versorgungsunternehmen übergebenen Bestandsplänen die beschädigte Leitung nicht eingezeichnet war. Er ist nicht verpflichtet, den Boden daraufhin zu untersuchen, ob möglicherweise weitere – in den Bestandsplänen nicht aufgeführte – Leitungen vorhanden sind.
Allerdings empfiehlt es sich zur vollständigen Absicherung, beim Auftraggeber selbst nochmals nachzufragen (schriftlich !), ob ihm bekannt ist, dass noch weitere Leitungen vorhanden sind, die eventuell erst kürzlich verlegt worden sind.
Autorenhinweis
Die Autorin, Frau Prof. Inge Jagenburg, Lehrbeauftragte für Bau- und Architektenrecht, ist Rechtsanwältin in der Kanzlei Jagenburg Rechtsanwälte Partnerschaft und spezialisiert auf Bau-, Architekten- und Immobilienrecht sowie auf Vergaberecht. Die 1971 gegründete Kanzlei ist bundesweit tätig und hat Büros in Köln, Berlin und Dresden. Weitere Schwerpunkte der Kanzlei bestehen im individuellen und kollektiven Arbeitsrecht, im Wohnungseigentums- und Mietrecht.
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