Ob BER oder Stuttgart 21 – die Liste der verzögerten Bauprojekte ist lang. Dabei können Bauvorhaben ganz leicht in Verzug geraten und den Auftragnehmer schnell in Schwierigkeiten bringen. Denn durch den verschobenen Baubeginn können sich leicht die Rahmenbedingungen verschieben und voher nicht einkalkulierte Mehrkosten entstehen. Das hat wiederum in der Regel einen Streit um die Verantwortung zur Folge. Aber das muss nicht sein, wenn man die wichtigsten Regeln beachtet.
Bei der Kalkulation von Baukosten spielt der Zeitpunkt, an dem die Leistung erbracht werden soll, eine große Rolle. Verschiebt der Auftraggeber den Baubeginn, kann es für den Auftragnehmer teurer werden, seine Leistung zu erbringen:
- das benötigte Material könnte teurer sein
- die Tariflöhne für sein Personal könnten gestiegen sein
- die Kosten für die Nachunternehmer könnten gestiegen sein
- die Ausführung in einer kälteren Jahreszeit könnte unproduktiver sein
- es könnten Zusatzkosten für Einhausung oder Heizen entstehen
Verschiebt der Auftraggeber den Baubeginn, handelt es sich um eine Anordnung zur Leistungsänderung hinsichtlich der Bauzeit. Das hat das OLG Brandenburg am 25.6.2020 entschieden.
Konkret entstandene Mehrkosten können abgerechnet werden
Eine Anordnung vom Auftraggeber ermöglicht dem Auftragnehmer in BGB- oder VOB/B-Bauverträgen, die durch die Verschiebung konkret entstandene Mehrkosten abzurechnen. (§ 1 Abs. 3 VOB/B mit § 2 Abs. 5 VOB/B oder § 650 b BGB mit § 650 c BGB).
Der Auftragnehmer muss die entstandenen Mehrkosten nachvollziehbar darstellen:
Der Auftragnehmer muss die für einen ungestörten Bauablauf kalkulierten Kosten darstellen und die durch die Verzögerung konkret entstandenen Kosten belegen. So können die Mehrkosten ermittelt und nachvollziehbar dargestellt werden.
Behinderungsanzeige ist notwendig
Zudem sollte immer an eine Behinderungsanzeige gedacht werden, denn die Verschiebung des Baubeginns führt meistens auch dazu, dass die vereinbarten Ausführungsfristen verändert werden müssen!
Mehr Zeit für die Leistungserbringung gibt es aber in der Regel nur dann, wenn an eine Behinderungsanzeige gedacht wurde.
Verschiebung des Baubeginns wird rechtlich wie eine Bauunterbrechung behandelt
Ordnet der Auftraggeber eine Verschiebung des Baubeginns an, wird dies wie Unterbrechung behandelt:
Nach Ablauf von drei Monaten darf der Bauvertrag gekündigt werden. (§ 6 Abs. 7 VOB/B)
Vereinbaren die Vertragsparteien hingegen den späteren Baubeginn, ist dieser neue Zeitpunkt für den Beginn der Fristberechnung maßgeblich: Erst eine darüber hinaus gehende Verzögerung von drei Monaten löst das Kündigungsrecht aus § 6 Abs. 7 VOB/B aus (OLG Jena vom 27.6.2019).
Die Kündigungsmöglichkeit ist oft ein Rettungsanker, wenn die Verschiebung der Bauausführung beim Auftragnehmer zu Problemen führt, die anders nicht lösbar sind.
Autorenhinweis
Der Autor, Rechtsanwalt Frank Zillmer ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht mit eigener Kanzlei seit 1996 in Kiel. Er schult alle am Bau Beteiligten in Inhouse-Seminaren und ist unter anderem Dozent für die Architekten- und Ingenieurkammer Schleswig-Holstein, die Auftragsberatungsstelle Schleswig-Holstein und den Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen.
Seine Webinare, Online-Workshops und Online-Kurse sind bundesweit buchbar: www.zillmer-seminare.de
VOB/B und Bauvertragsrecht Online-Kurs: https://www.zillmer-seminare.de/vob-schulung
Rechtsanwalt Frank Zillmer
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
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