Konflikte am Bau können durch unterschiedliche Ursachen entstehen. Es reicht von mangelhaften Produkten des Liefertanten über die unzureichende Leistung der Vorgewerke bis hin zu übertriebenen Anforderungen und Nachträgen des Auftraggebers. Jeder Handwerksmeister sollte daher über die Hinweispflichten am Bau informiert sein und insbesondere über die Bedenkenanzeige Bescheid wissen.
In der Praxis treten Probleme immer dann auf, wenn die eigenen Leistung wegen Mängeln der Vorleistung nicht abgenommen wird und Nachbesserung gefordert wird. Wann und wie müssen Auftragnehmer auf Bedenken der Vorleistung oder der Materialien hinweisen um eigene Ansprüche zu sichern.
1. Allgemein: Untersuchungspflichten und Bedenkenanzeige
Der Auftragnehmer muss nicht nur die vertraglich vereinbarte Werkleistung mangelfrei erbringen, also beispielsweise den Dachstuhl ordnungsgemäß errichten, die Fenster fertigen und einbauen oder den Treppenausbau umfassend durchführen. Vielmehr muss er als fachkundiger Unternehmer seinen Auftraggeber immer auch vor Schäden bewahren. Dies gilt als vertragliche Nebenpflicht selbst dann, wenn entsprechende ausdrückliche Vereinbarungen fehlen.
Kurz: Neben der ordnungsgemäßen Durchführung der Bauleistung, muss ein Auftragnehmer stets auch beraten, prüfen und etwaige Bedenken seinem Auftraggeber mitteilen!
2. Beispiel: § 4 Abs. 3 VOB/B
In der VOB/B wird diese Pflicht wie folgt beschrieben: „Hat der Auftragnehmer Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung (auch wegen der Sicherung gegen Unfallgefahren), gegen die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe oder Bauteile oder gegen die Leistungen anderer Unternehmer, so hat er sie dem Auftraggeber unverzüglich – möglichst schon vor Beginn der Arbeiten – schriftlich mitzuteilen; der Auftraggeber bleibt jedoch für seine Angaben, Anordnungen oder Lieferungen verantwortlich.“
Diese Regelung legt dem Auftragnehmer eine Vielzahl von Pflichten auf:
(a) Bedenkenanzeige gegen die Art der Ausführung
(b) Bedenkenanzeige bei Materialfehlern
(c) Bedenkenanzeige bei Mängeln der Vorgewerke
Achtung: Diese Pflichten sind nicht (!) auf einen VOB/B Vertrag beschränkt. Sie gelten gleichermaßen bei reinen Werkverträgen nach dem BGB.
Hintergrund: Die Hinweispflichten verfolgen den Zweck, den Auftraggeber frühzeitig auf etwaige Mängel und damit verbundene Kosten hinzuweisen.
3. Umfang und Rechtsfolgen
Der Umfang der Hinweispflicht kann leider nicht pauschal beantwortet werden. Jeder Einzelfall ist besonders zu bewerten. Je umfassender der Auftrag ist und je fachspezifischer die Kenntnisse des Auftragnehmers sind, desto mehr Aufklärung kann verlangt werden. Unterschiede ergeben sich auch dann, wenn der Vertrag mit einem Verbraucher oder einem (General-) Unternehmer geschlossen worden ist.
Unterlässt der Auftragnehmer eine erforderliche Bedenkenanzeige, droht ihm unter anderem die Haftung für Mängel die er selbst gar nicht zu vertreten hat, vgl. § 13 Abs. 3 VOB/B
4. Die Pflichten im Einzelnen
(a) Bedenkenanzeige gegen die Art der Ausführung
Ein Auftragnehmer muss Bedenken gegen die geplante Art der Ausführung dem Auftraggeber mitteilen. Hierbei muss er die gesamte Planung des Auftraggebers kennen und bewerten. Allerdings nur insoweit, wie die Planung auch die eigenen Werkleitung betrifft.
Welche Planungsunterlagen sind einzubeziehen?
Beispielhaft können genannt werden: Ausführungsplanung und Unterlagen des Architekten, das Leistungsverzeichnis, anerkannte Regeln der Technik, Planungsunterlagen zum Bauablauf, Bauordnungsrecht usw.
Der Auftragnehmer muss prüfen, ob das Bauvorhaben anhand der Planungsunterlagen mangelfrei errichtet werden kann.
Wie bereits erwähnt, ist der Umfang einzelfallabhängig. In der Rechtsprechung gibt es bisher folgende Aussagen (nicht abschließend): Eine Mitteilungspflicht besteht bei offensichtlichen Fehlern in der Statik, Bedenken beim Einbau einer Fußbodenheizung die nicht den Anforderungen der EnEV entspricht, zeitliche Fehlplanung bei der Verlegung von Estrich und der anschließenden Belegung, keine Angaben zur Standsicherheit im Leistungsverzeichnis, Fehler bei der Dämmung und Abdichtung, Gefahr von Einfrierungen von Rohren etc.
Unterlässt der Auftragnehmer die erforderliche Bedenkenanzeige, kann er spätere Mängelansprüche nicht damit zurückweisen, dass er die Arbeiten wie vertraglich vorgegeben umgesetzt hat.
Praxistipp: Die Mitteilungspflicht besteht nicht nur zu Beginn des Vertragsverhältnisses, sondern dauert für das gesamte Bauvorhaben an. Ändert der Auftraggeber die ursprüngliche Planung, muss der Auftragnehmer dann die neue Planung ebenfalls prüfen und etwaige Bedenken anzeigen.
(b) Bedenkenanzeige bei Materialfehlern
Stellt der Auftraggeber das Baumaterial oder sonstige Bauteile zur Verfügung muss der Auftragnehmer diese auf Fehler und Mängel hin überprüfen. Werden mangelhafte Materialien ohne Hinweis verbaut, haftet der Auftragnehmer hierfür. Das gilt selbst dann, wenn die tatsächliche Durchführung ordnungsgemäß erfolgte und der Mangel allein auf das Material zurückzuführen ist.
Praxistipp: Die Prüfung sollte in dem Umfang erfolgen, wie bei der eigenen Beschaffung!
(c) Bedenkenanzeige bei Mängeln der Vorgewerke
Die Realisierung eines Bauvorhabens erfordert den Einsatz verschiedener Gewerke. Ist die eigene Leistung von den Vorarbeiten anderer Gewerke abhängig, muss der Auftragnehmer auf etwaige Bedenken der Vorleistung hinweisen, will er selbst ordnungsgemäß leisten.
Achtung: Der Umfang der Bedenkenanzeige beschränkt sich in diesem Fall auf die Vorleistungen, die im Zusammenhang mit der eigene Leistung stehen.
Hierbei ist in der Praxis zwischen den Situationen einer Bedenkenanzeige gegen die Vorleistung und die Hinweispflicht auf nachfolgende Gewerke zu unterscheiden.
Beispiel:
(1) Der Bodenbeschichter muss die Verlegung des Estrichs auf die Möglichkeit der Weiterverarbeitung überprüfen.
(2) Trotz ordnungsgemäßer Installation einer Heizungsanlage gilt diese als mangelhaft, wenn das Gebäude nicht ausreichend beheizt und entsprechende Temperaturen nicht erreicht werden, BGH – Az. VII ZR 183/05. Das durch einen Dritten installierte Blockheizkraftwerk war unzureichend, was der Heizungsbauer hätte erkennen und darauf hinweisen müssen. Mangels Bedenkenanzeige war der Heizungsbauer trotz ordnungsgemäßer Installation zur Mangelbeseitigung verpflicht.
Ausnahmsweise muss der Auftragnehmer seinen nachfolgenden Gewerken Hinweise erteilen. Dies gilt insbesondere bei technischen Besonderheiten, die nicht offensichtlich sind wie der Verwendung von neuen Materialien die nicht mit den nachfolgenden Stoffen gleichermaßen kompatibel sind. Das sind aber eher Ausnahmen.
Autorenhinweis
Die Autorin, Rechtsanwältin Anna Rehfeldt, LL.M mit Sitz in Berlin, berät Unternehmen, Freiberufler und sonstige Gewerbetreibende in den Bereichen Zivil-, Bau- und Vertragsrecht, Arbeitsrecht sowie im Marken-, Patent- und Wettbewerbsrecht. Hierbei liegt ihr Fokus in der Beratung und Betreuung von Handwerksbetrieben und kleinen- mittelständischen Unternehmen bei der alltäglichen Praxis! Etabliert haben sich insbesondere auch ihre Inhouse-Schulungen vor Ort!
Rechtsanwältin Anna Rehfeldt, LL.M.
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