Diese Problemsituation ist vielen gut bekannt: Man ist als Nachunternehmer tätig gewesen und wartet immer noch auf den Ausgleich der eigenen Schlussrechnung vom Hauptunternehmer. Und das, obwohl der Bauherr das Bauwerk schon abgenommen und in Gebrauch genommen hat. Dabei bemängelt der Hauptunternehmer dem Nachunternehmer gegenüber eine fehlende Abnahme und zahlt daher (noch) nicht. Das muss ein Nachunternehmer jedoch nicht hinnehmen.
Mit der Abnahme erklärt der Auftraggeber (Bauherr), die Leistung sei vertragsgemäß erbracht und der Vertrag sei aus seiner Sicht erfüllt. Als Folge wird unter anderem der Werklohn fällig und die Gewährleistungsfrist beginnt.
In einer Vertragskette hat das zur Folge, dass mit der Abnahme der Leistung des Hauptunternehmers durch den Bauherrn auch der Werklohn des Nachunternehmers fällig wird. (§ 641 Abs. 2 Satz 1 Nr.2 BGB).
Auf eine Abnahme oder auch nur Abnahmereife kommt es im Verhältnis zwischen Hauptunternehmer und Nachunternehmer nicht an, sodass der Nachunternehmer seine Leistung abrechnen und seine Werklohnforderung auch ohne eine Abnahme durchsetzen kann. Das gilt auch in längeren Vertragsketten (OLG Oldenburg, Urteil vom 10.6.2020, 11 U 120/17).
Hintergrund ist, dass für den Nachunternehmer die Abnahme der (Gesamt-)Leistung des Hauptunternehmers häufig leichter zu beweisen ist als die Abnahme der eigenen (Nachunternehmer-)Leistung. Das gilt auch für VOB/B-Verträge, weil die VOB/B insoweit nichts anderes regelt.
Fazit:
Nachunternehmer können daher ihre Leistung auch ohne eine vorherige Abnahme durch den Hauptunternehmer abrechnen und müssen weder auf einen Abnahmetermin warten noch auf eine Abrechnung wegen einer fehlenden Abnahme verzichten oder diese aufschieben.
Sollten jedoch noch Restleitungen offen sein oder Mängel bestehen, stehen dem Hauptunternehmer trotz dieser sogenannten „Durchgriffsfälligkeit“ Gewährleistungsansprüche zu. Der Hauptunternehmer kann daher Geld einbehalten und sein „Zurückbehaltungsrecht“ ausüben. Ein Freifahrtschein für die Abrechnung unfertiger oder mangelhafter Arbeiten ist das also nicht.
Autorenhinweis
Der Autor, Rechtsanwalt Frank Zillmer ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht mit eigener Kanzlei seit 1996 in Kiel. Er schult alle am Bau Beteiligten in Inhouse-Seminaren und ist unter anderem Dozent für die Architekten- und Ingenieurkammer Schleswig-Holstein, die Auftragsberatungsstelle Schleswig-Holstein und den Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen.
Seine Webinare, Online-Workshops und Online-Kurse sind bundesweit buchbar: www.zillmer-seminare.de
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Rechtsanwalt Frank Zillmer
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