Haftung trotz Unwissenheit: Tiefbauer muss sich informieren

Bei Erdarbeiten beschädigt ein Tiefbauer ein Telefonkabel. In der Ausschreibung der Leistung wurde jedoch nicht auf die Telefonkabel in der Erde hingewiesen. Weder der Auftraggeber noch der Planer haben den Tiefbauunternehmer vor Beginn der Arbeiten auf den Verlauf der Leitungen informiert. Die Frage: Wer haftet? Tiefbauer und Planer geraten in solchen Fällen gemeinsam in die Haftung.

In eine fachgerechte Ausschreibung sind Angaben zu Leitungen etc. aufzunehmen (VOB/C DIN 18299 Ziff. 0.1.16; DIN 18300 Ziff. 0.2.27). Fehlen diese Angaben, haftet der Planer für seine mangelhafte Planung und Ausschreibung.

Ein Tiefbauunternehmer muss daher dann, wenn in der Ausschreibung keine Hinweise vorliegen, vergütungsrechtlich auch keinen Aufwand einkalkulieren, der zum Umgang mit Leitungen erforderlich wird. Erfährt der Tiefbauunternehmer nachträglich von Kabeln, sind die dadurch erforderlichen zusätzlichen Maßnahmen (z.B. Suchschachtungen von Hand) als besondere Leistung als Nachtrag zu vergüten.

Fehlende Informationen entbinden den Tiefbauunternehmer aber nicht von seiner Haftung:

Jeder Unternehmer hat eine vertragliche Schutzpflicht (§ 242 BGB), die in der VOB/C konkretisiert wird: Kann die Lage von Leitungen vom Auftraggeber nicht angegeben werden, sind diese zu erkunden (VOB/C DIN 18299 Ziff. 3.1; DIN 18300 Ziff. 3.1.5). Diese Maßnahmen sind als besondere Leistungen gesondert zu vergüten.

Die Rechtsprechung ist hier sehr streng: Sie fordert vom Tiefbauer, dass er sich vor dem Beginn der Arbeiten aktiv nach der Existenz und dem Verlauf von Leitungen erkundigt. Selbst dann, wenn der Tiefbauer diese Pflicht auf den Auftraggeber überträgt, verbleiben bei dem Tiefbauer Auswahl-, Kontroll- und Überwachungspflichten: Er muss kontrollieren, ob der Auftraggeber sich Gewissheit über Leitungen verschafft hat (OLG Köln, Urteil 7.5.2014, 16 U 135/13 - auch zur ergänzenden Haftung des Planers in solchen Fällen; OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.11.2004, 15 U 29/04).

Der Tiefbauer darf sich bei einer fehlenden Information des Auftraggebers nicht darauf verlassen, dass keine Leitungen vorhanden sind. Er muss aktiv nachfragen!

Für beschädigte Leistungen haftet daher im Regelfall nicht der Auftraggeber, sondern neben dem Planer auch der Tiefbauer. Solche Schäden sind in der Regel durch die Haftpflichtversicherung der Tiefbauer und Planer abgedeckt.

Bei der Beurteilung der Situation wird maßgeblich sein,

  • was im Einzelnen vereinbart worden ist,
  • was für den Tiefbauer erkennbar gewesen ist und
  • womit zu rechnen war.

Jedes Urteil ist aber eine Einzelfallentscheidung.

Der Tiefbauer hat im Ausgangsfall seine Prüfungspflicht verletzt und weder auf Lücken in der Auskunft (Keine Information zu Leitungen durch den AG) hingewiesen noch beim Auftraggeber nachgefragt. Dies spricht für die Haftung des Tiefbauers.

Der Planer haftet daneben als Gesamtschuldner.

 

Autorenhinweis

Rechtsanwalt Frank ZillmerDer Autor, Rechtsanwalt Frank Zillmer ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht mit eigener Kanzlei seit 1996 in Kiel. Er schult alle am Bau Beteiligten in Inhouse-Seminaren und ist unter anderem Dozent für die Architekten- und Ingenieurkammer Schleswig-Holstein, die Auftragsberatungsstelle Schleswig-Holstein und den Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen.
Seine Webinare, Online-Workshops und Online-Kurse sind bundesweit buchbar: www.zillmer-seminare.de
VOB/B und Bauvertragsrecht Online-Kurs: https://www.zillmer-seminare.de/vob-schulung


Rechtsanwalt Frank Zillmer
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