Die Baustellengemeinkosten sind aufgrund höherer Hygieneanforderungen wegen der Corona-Pandemie seit März 2020 gestiegen. Zusätzlich kommt es zu Lieferengpässen bei Baumaterialien, wodurch sich die Bauzeiten verlängern. Zusätzlich steigen seit dem Frühjahr 2021 die Materialpreise überdurchschnittlich schnell an. Können die Auftragnehmer die Mehrkosten, die durch die Materialpreissteigerung entstehen, von ihren Auftraggebern erstattet bekommen?
Bei den vor Monaten kalkulierten Angeboten können die Preise wirtschaftlich nicht mehr gehalten werden. Welche Möglichkeiten haben die Auftragnehmer, um die Auftraggeber an den steigenden Preisen zu beteiligen?
Wenn feste Konditionen vereinbart worden sind, wird es schwierig, Preisanpassungen vorzunehmen, aber nicht unmöglich. Das Argument „höhere Gewalt“ ist mit der Regelung „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ § 313 BGB zu prüfen und muss im Einzelfall betrachtet werden:
Als Grundlage für Preisanpassungsgespräche könnte dienen, dass einem Bauunternehmen in öffentlichen Aufträgen als „Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden darf für Umstände und Ereignisse, auf die es keinen Einfluss hat und deren Entwicklung auf die Preise nicht im Voraus eingeschätzt werden kann“; VOB/A (in den Abschnitten 1 bis 3 jeweils in § 7 Abs. 1 Nr. 3). Das kann in entsprechender Anwendung dieses Rechtsgedankens auch als Argument für Verträge mit privaten Auftraggebern herangezogen werden:
Es muss geprüft werden, wie sich die Preisentwicklung auf den gesamten Vertrag ausgewirkt hat, nicht nur auf eine einzelne Position oder einen Teilbereich. Würde durch die Preissteigerung der gesamte Gewinn des Vertragspartners aufgebraucht werden, bestehen gute Chancen, hier eine Preisanpassungsverhandlung durchzuführen, weil dann die Geschäftsgrundlage weggefallen ist.
Da auch der Auftraggeber ein Interesse daran hat, dass das Bauvorhaben vorangeht und nicht durch einen insolventen Auftragnehmer weiter verzögert wird, lassen sich häufig durch Preisanpassungswünsche gemeinschaftliche Wege finden.
Formulierungshilfe für Preisanpassungswünsche:
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Schreiben vom … haben Sie den Baubeginn vom vertraglich vereinbarten Termin … auf den …. verlegt. Dadurch können wir mit unserer Leistung erst am … beginnen. Nach dem ursprünglichen Terminplan wären wir mit unserer Leistung bereits seit dem … fertig. Mit Schreiben vom … haben wir Behinderung angemeldet. Die später zu erbringende Leistung führt zu Mehrkosten, die wir gemäß § 650 c BGB / § 2 Abs. 5 VOB/B geltend machen:
Abweichend von unserer Angebots- und Vertragskalkulation haben sich die Materialpreise nun wie folgt geändert, so dass wir an den vereinbarten Preisen für die Leistung nicht festhalten können und diese anpassen müssen. Hierzu legen wir Ihnen die Entwicklung offen:
Die kalkulierten Preise für … belegen wir durch Vorlage der Angebote … . Daraus ist ein kalkulierter Einkaufspreis von …. zu ersehen, der zusammen mit den kalkulierten Lohnkosten von … und Zuschlägen zu dem vereinbarten Preis von … führt. Die nun von uns zu zahlenden Preise für das Material belegen wir durch die Rechnungen … . Der nun zu zahlende Preis für unsere Leistung liegt daher nun bei … EUR.
Wir bitten um Kenntnisnahme und Bestätigung der Mehrkosten.
Mit freundlichen Grüßen
Alternative Formulierungen finden Sie unter https://www.zillmer-seminare.de/online-bibliothek
Wie können sich die Auftragnehmer (Bauunternehmer und Planer) in Zukunft absichern?
Auftragnehmer können befristete Angebote abgeben, die jedoch bei so extrem schnell steigenden Preisen auch nicht zielführend sind. Auch Preiszusicherungen vom Händler haben in diesem Jahr nicht immer zu den vereinbarten Preisen geführt, da die Händler zum Teil die Lieferverträge kurzfristig gekündigt haben. Sicherer sind freibleibende Angebote.
Preisgleitklauseln
Eine mögliche Absicherung bieten Preisgleitklauseln für Lohn und Material. Preisgleitklauseln sind Vereinbarungen, wie mit steigenden Kosten umzugehen ist. Sie müssen bereits im Vertrag vereinbart werden und sollten möglichst konkret gestaltet sein, um späteren Streit zu vermeiden. So kann z.B. für ein bestimmtes Material in bestimmten Positionen vereinbart werden, dass ein (durch ein Angebot des Lieferanten nachgewiesener) Einkaufspreis von X EUR pro Tonne Vertragsgrundlage sein soll und eine etwaige (durch Rechnung des Lieferanten nachgewiesene) Erhöhung zu einer Preisanpassung berechtigt.
Autorenhinweis
Der Autor, Rechtsanwalt Frank Zillmer ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht mit eigener Kanzlei seit 1996 in Kiel. Er schult alle am Bau Beteiligten in Inhouse-Seminaren und ist unter anderem Dozent für die Architekten- und Ingenieurkammer Schleswig-Holstein, die Auftragsberatungsstelle Schleswig-Holstein und den Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen.
Seine Webinare, Online-Workshops und Online-Kurse sind bundesweit buchbar: www.zillmer-seminare.de
VOB/B und Bauvertragsrecht Online-Kurs: https://www.zillmer-seminare.de/vob-schulung
Rechtsanwalt Frank Zillmer
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
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