Nebenangebot vs. Hauptangebot. Wann kann ein als „Nebenangebot“ bezeichnetes Angebot in eine (zweites) Hauptangebot umgedeutet werden?

Im Rahmen von Ausschreibungen konkretisieren Auftraggeber die Leistungsbeschreibung insbesondere durch das Leistungsverzeichnis, den Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis sowie durch Zeichnungen und Pläne. Bieter geben auf diese Grundlage ihr (Haupt-)Angebot ab. Es besteht aber auch die Möglichkeit zusätzlich sog. Nebenangebote abzugeben. Hierfür gelten besondere Anforderungen, sodass Haupt- und Nebenangebot streng zu trennen sind.

Was ist passiert?
In einem von der Vergabekammer Sachsen zu entschiedenen Fall (Az. 1/SVK/029-14) hatte der öffentliche Auftraggeber, Bauleistungen für den Ersatzneubau eines Krankenhauses ausgeschrieben. Die Leistungsbeschreibung enthielt u.a. die Bestimmung, dass bei dem Bau Natursteinbeläge zu verwenden sind. Maßgebliches Wertungskriterium war das kostengünstigste Angebot. Der Bieter hatte die Leistungsbeschreibung vollständig eingepreist und ein entsprechendes „Hauptangebot“ abgegeben. Zusätzlich reichte er ein als „Nebenangebot“ betiteltes weiteres Angebot ein, worin er andere Beläge und andere Parkettstärken seinem Preis zu Grunde legte.

Nach der Submission war der Bieter mit seinem Hauptangebot auf dem zweiten Rang. Mit seinem Nebenangebot hingegen auf dem ersten Platz. Der Auftraggeber teilte daraufhin mit, dass er an der ausgeschriebenen Vorgabe der Verwendung von Natursteinbelägen festhält, sodass der Zuschlag nicht erteilt werden kann. Der Bieter stellte einen Nachprüfungsantrag.

Die Entscheidung
Die Vergabekammer hat in der benannten Entscheidung den Nachprüfungsantrag als unbegründet angesehen. Das Nebenangebot sei durch den Auftraggeber zurecht nicht berücksichtigt worden. Anders als der Bieter meint, war dieses Angebot ein „echtes“ Nebenangebot und nicht lediglich ein (zweites) Hauptangebot.

Ein Hauptangebot ist immer dann gegeben, wenn der Bieter die Leistungsbeschreibung vollständig bedienen will bzw. eine gleichwertige Lösung anbieten will.

Ein Nebenangebot liegt hingegen dann vor, wenn das Angebot eine andere als die in der ausgeschriebenen Beschreibung geforderte Leistung bestimmt.

Vorliegend hatte der Bieter neben der Bezeichnung als „Nebenangebot“ auch inhaltlich etwas „anderes“ angeboten. Zunächst entsprach der Herkunftsort der geforderten Steine nicht den Forderungen aus der Leistungsbeschreibung. Mangels Rüge oder entsprechender Formulierung wie „…oder gleichwertig“ war die Bestimmung zum Herkunftsort wirksam. Des weiteren waren in dem „Nebenangebot“ andere Stärken des zu verwendenden Parketts angeführt.

Unbeachtlich dessen sei eine Berücksichtigung des Nebenangebots aber auch deshalb nicht möglich, das der Preis als maßgebliches Wertungskriterium benannt war. In diesem Fall sind Nebenangebote nicht zu berücksichtigen, selbst wenn diese ausdrücklich zugelassen wurden. (vgl. Wettbewerbsgrundsatz gemäß § 97 Abs. 2 GWB sowie dem Wirtschaftlichkeitsgebot, BGH, Beschluss vom 07.01.2014 – 10 ZB 15/13). Der Auftraggeber hat bei der Vergabe die Wahl, welche Wertungskriterien er als maßgeblich anordnet. Er muss keine Abstriche bei Qualitätsstandards o.Ä. akzeptieren.  Der Bieter hat in diesem Fall nur einen Anspruch auf Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften.

Fazit
Wer als Bieter ein so bezeichnetes Nebenangebot, unter Abweichung der inhaltlich nachgefragten Leistung abgibt, hat keine Möglichkeit, es in ein (zweites) Hauptangebot umzudeuten. Nur wenn sich das Angebot im Rahmen der Leistungsbeschreibung bewegt, kann es als (zweites) Hauptangebot angesehen werden.

Praxistipp
Die Rechtsprechung hat für die Abgabe mehrerer Hauptangebote folgende Voraussetzungen aufgestellt:

  1. Es dürfen keine doppelten Angebote vorliegen. Dass heißt, Angebote die inhaltlich identisch sind und sich nur preislich unterscheiden
  2. Weichen die Hauptangebote in den technischen Ausführungen voneinander ab, ist dies zulässig, wenn erkennbar wird, dass der Bieter ein gleichwertiges Produkt anbieten will. Die Gleichwertigkeit mit dem in der Ausschreibung benannten Leitfabrikat muss explizit im Angebot benannt werden.

Autorenhinweis

Rechtsanwältin Anna RehfeldtDie Autorin, Rechtsanwältin Anna Rehfeldt, LL.M mit Sitz in Berlin, berät Unternehmen, Freiberufler und sonstige Gewerbetreibende in den Bereichen Zivil-, Bau- und Vertragsrecht, Arbeitsrecht sowie im Marken-, Patent- und Wettbewerbsrecht. Hierbei liegt ihr Fokus in der Beratung und Betreuung von Handwerksbetrieben und kleinen- mittelständischen Unternehmen bei der alltäglichen Praxis! Etabliert haben sich insbesondere auch ihre Inhouse-Schulungen vor Ort!


Rechtsanwältin Anna Rehfeldt, LL.M.
Pettenkoferstr. 14b · 10247 Berlin
Tel.: +49 (0) 30 – 311 79 106, Mobil: +49 (0) 172 – 574 2012
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