Die absolute Härte: Alles über Diamantwerkzeuge

Frank Kessler Die absolute Härte: Alles über Diamantwerkzeuge
Foto: Edgar Soto / Unsplash.com

In zahlreichen handwerklichen Sparten ist es immer wieder nötig, sich schneidend oder schleifend durch irgendein Material hindurchzuarbeiten. In vielen Fällen vertrauen Profis dazu zwar auf (gehärteten) Stahl und Korund, doch in wirklich „harten Fällen“ und wenn es um höchste Standfestigkeit geht, kommt immer häufiger ein Material zum Einsatz: der Diamant.

Auf den folgenden Zeilen verraten wir alles, was es zu diesem Stoff aus handwerklicher Sicht zu wissen gibt – und auch, wo die Grenzen dieses härtesten natürlichen Materials der Erde liegen.

Zum Einstieg etwas Naturwissenschaft

Was ist ein Diamant? Wer bei dieser Frage einen faszinierend funkelnden, transparenten, lichtbrechenden Edelstein vor dem inneren Auge hat, der liegt sicherlich nicht falsch, denkt aber bereits viel zu weit und nur in eine Anwendungsrichtung.

Diamanten sind letztlich das, was passiert, wenn man herkömmlichen Kohlenstoff Hitze und Druck aussetzt, wie sie auf natürlichem Weg nur mehrere hundert Kilometer unter der Erdoberfläche vorkommen. Dort, unter dem Gewicht von Aberbillionen Tonnen Deckgestein, herrschen die richtigen Bedingungen, um aus Kohlenstoff in der Erdkruste oder solchem aus natürlichem Ursprung Diamanten zu formen.

Auf diese Weise kann über Jahrmillionen beispielsweise aus einer Torfschicht über Braun- und Steinkohle ein Diamant „heranwachsen“. Dann braucht es nur noch Tektonik oder Vulkanismus, die ihn aus diesen enormen Tiefen wieder in für uns erreichbare Sphären befördern – daher liegen die meisten Fundorte in Zonen mit (ehemals) sehr aktivem Vulkanismus oder Tektonik.

Dabei sei darauf hingewiesen, dass bereits der Diamantabbau für sich einen technischen Leckerbissen aus handwerklicher Sicht darstellt. Denn es wird extrem hoher technischer Aufwand betrieben – Aufwand, dessen Lehren auch in andere Branchen ausstrahlen.

Allerdings ist der Abbau natürlich entstandener Diamanten, speziell für handwerkliche Anwendungen, mittlerweile ein Jahr für Jahr an Bedeutung verlierendes Feld – aus mehreren Gründen:

  1. Der Abbau ist technisch enorm aufwendig und in Sachen Umweltbelastung stark umstritten. Speziell, weil die Arbeit immer schwieriger wird, da die einfach zu erreichenden Lagerstätten bereits ausgebeutet wurden. Einige Diamantenminen gehören deshalb bereits zu den tiefsten Tagebauten der Welt.
  2. In den nur gut hundert Jahren des gezielten industrialisierten Diamantenabbaus haben sich die Lagerstätten bereits stark erschöpft – der heutige Bedarf an Nutzdiamanten etwa lässt sich so zu kaum einem Viertel mehr decken.
  3. An vielen Fund- und Abbauorten herrschen äußerst fragwürdige Arbeits- und Umweltbedingungen vor.
  4. Naturdiamanten sind durch ihren enormen Wert für zahlreiche Konflikte, insbesondere in Afrika, mitverantwortlich. Der Fachmann spricht von illegal geschürften Blutdiamanten, die Warlord-Armeen finanzieren.

Immer wichtiger, vor allem abseits der Schmuckherstellung, wird deshalb die künstliche Herstellung von Diamanten. Bekannt ist das Prinzip zwar schon seit Mitte der 1950er Jahre, doch erst in jüngster Vergangenheit wurden die dazu nötigen Drücke und Temperaturen wirtschaftlich beherrschbar. Zuvor waren synthetische Diamanten aufgrund ihrer Kosten nur für wenige Nischenanwendungen geeignet.

Was dort erzeugt wird, indem beispielsweise Graphit unter 60.000 Bar Hydraulikdruck bei über 1.500° C oder sogar bei kontrollierten Explosionen komprimiert wird, lässt sich in Aussehen und Materialeigenschaften mittlerweile von Naturdiamanten nur noch mikroskopisch unterscheiden – wenn überhaupt. Zudem ist die Ritzhärte vergleichbar. Beim Naturdiamanten beträgt sie 10, beim synthetischen Diamanten zirka 9,5. Das ist auch für die Handwerksbranche ein gigantischer Vorteil.

Schmuckdiamanten sind keine Werkzeugdiamanten

Was unterscheidet, ungeachtet ob natürlich oder künstlich entstanden, einen Diamanten für einen Verlobungsring von einem, der beispielsweise auf einer Bohrkrone verwendet wird? Chemisch betrachtet gar nichts. Tatsächlich ist es einzig und allein der optische Gütegrad, der hier von Relevanz ist. Nur was ohne Einschlüsse und Eintrübungen ist oder sich zumindest durch Schleifarbeiten hierzu machen lässt, taugt zum Schmuckdiamanten. Daher kann der Gewichtsunterschied zwischen einem Rohdiamanten und einem, der zu einem Schmuckstück geschliffen wurde, ganz beträchtlich sein und mehrere Dutzend Prozent betragen – allerdings gibt es auch einige wenige Schmuckdiamanten, bei denen Verunreinigungen gewünscht sind, weil sie für eine besondere Farbgebung sorgen.

Der große Rest der für die Schmuckwelt untauglichen Naturdiamanten ist das, was Handwerk und Industrie benötigen: Einfach nur optisch unperfekte Edelsteine – entsprechend ist dieser eine Faktor auch der wichtigste Gradmesser, der über die Preise entscheidet. Ein kleiner, reiner Schmuckdiamant von nur 0,18 Karat (knapp 1 Gramm) kostet gut und gerne 1000 Euro. Ein ebenso schwerer Werkzeugdiamant kostet dagegen einen geringen Bruchteil davon. Und betrachtet man künstlich hergestellte Diamanten beziehungsweise solche Diamantpulver, sind die Preise noch geringer.

Übrigens: Brillanten sind keine besonders reinen Diamanten, sondern lediglich solche, die zu einem speziellen Facettenmuster geschliffen werden, dem Brillantschliff.

Warum Diamanten sich so gut für Werkzeuge eignen

Wie die im Rohzustand überraschend wenig edel wirkenden Edelsteine entstehen, ist nun geklärt. Doch was ist es, was sie so bedeutungsvoll für Handwerk und Industrie auf dem ganzen Planeten macht?

Es ist ganz primär die extreme Härte. Es gibt, zumindest außerhalb von Laboren, keinen Stoff, der so hart wäre wie ein Diamant – und erst recht auf absehbare Zeit keinen, der angesichts dieses Härtegrades so wirtschaftlich zu fördern und herzustellen ist. Daraus ergeben sich mehrere attraktive Eigenschaften:

  1. Durch die extreme Härte von 10.060 auf der Vickers-Skala (Korund: 2.060) kann Diamant jeden bekannten Werkstoff ritzen, jedoch nur durch sich selbst geritzt werden. Er ist deshalb hochbegehrt, um andere harte Werkstoffe zu bearbeiten. Vornehmlich Beton, Naturstein, aber auch GFK und Hartmetall.
  2. Die Härte sorgt außerdem dafür, dass Diamantwerkzeuge eine hohe Standfestigkeit haben. Je nachdem, ob es sich um mono- oder polykristalline Diamanten (siehe nächstes Kapitel) handelt, besteht überdies durch das Herauslösen aus der Bindung zu immer neuen Schneiden ein hoher Selbstschärfungsgrad. Dadurch kann die Spanne zwischen dem Austausch von Diamantwerkzeugen für die Verhältnisse der jeweiligen Anwendung extrem lang im Vergleich zu anderen Materialien sein – wodurch Diamantwerkzeuge wiederum in vielen Anwendungen trotz des höheren Anschaffungspreises äußerst wirtschaftlich sind.
  3. Da es möglich ist, feinstes Diamantpulver zu Werkzeugen zu verarbeiten und da zudem dafür sehr hochwertige Hartlot- und Sinterverbindungen zum Einsatz kommen, lassen sich Geräte herstellen, die eine sehr hohe Präzision bei den damit ausgeführten Arbeiten erlauben, die sich zudem über das Werkzeugleben kaum verringert.
  4. Neben dem enormen Härtegrad hat Diamant auch die bei Weitem höchste Wärmeleitfähigkeit aller Materialien im Bereich von 1 bis 2,5 kW / (m × K). Das sorgt dafür, dass sich selbst bei sehr harten Werkstoffen keine solche Reibungshitze aufbauen kann, dass die Gefahr besteht, dass der Kohlenstoff einer exothermen Reaktion unterliegt, also zu brennen anfängt.

Egal ob Betonbauer, Tiefbohrfacharbeiter oder Fliesenleger: Jeder Beruf, in dem harte Materialien durchdrungen werden müssen, findet im Werkzeugdiamanten das richtige Hilfsmittel. Aus diesem Grund existieren auch sehr viele verschiedene Ausprägungen von damit bestückten Werkzeugen.

Nur bei einem Material konnte Diamant lange Zeit nicht eingesetzt werden. Und das, obwohl er deutlich härter ist: Werkstoffe aus Eisenmetallen. Denn hierbei kommt es zu einem Diffundieren des Kohlenstoffs im Diamanten in das Gefüge des Eisens und somit einer untragbaren qualitativen Beeinträchtigung. Mittlerweile existieren jedoch spezielle Hartlottechniken, die das Problem negieren und damit auch ein wirtschaftliches Bearbeiten von Eisenmetallen ermöglichen.

Mono- und polykristalline Werkzeugdiamanten

Diamanten gehören zum hexagonalen Kristallsystem. Und neben der Tatsache, dass werkzeugtaugliche Naturdiamanten immer seltener werden, spricht auch eine weitere Tatsache sehr für synthetische Diamanten: Sie können gezielt in zweierlei verschiedenen Kristallisationsarten hergestellt werden:

  • monokristalline Diamanten (MKD) bestehen wie Naturdiamanten aus einem einzigen Kristall bzw. Korn. Hierbei ist die herstellbare Größe limitiert. Bei Erschöpfung der Leistungsfähigkeit löst sich der Diamant aus der Bindung, wodurch mitunter an dieser Stelle keine neue Schneide existiert.
  • In polykristallinen Diamanten (PKD) sind die Atome und Moleküle hingegen unregelmäßig angeordnet. Dies geschieht durch das Herstellen atomarer Bindungen zwischen mehreren monokristallinen Diamanten. Ein großer Diamant besteht deshalb aus lauter kleineren Kristallen unregelmäßiger Ausrichtung, die unter Belastung unregelmäßig herausbrechen, wodurch immer wieder neue Schneiden entstehen. Allerdings ist diese künstliche atomare Bindung nicht so belastbar wie ihr natürliches Pendant, weshalb sie schneller verschleißen.

Dementsprechend werden für den Werkzeugbereich beide Eigenschaften ganz gezielt eingesetzt. Polykristalline Diamanten finden dort Verwendung, wo eine größere abtragende Oberfläche vonnöten ist. beispielsweise bei Sägezähnen für Faserzement oder Bodenschleiftöpfen.
Umgekehrt werden monokristalline Diamanten für solche Anwendungen herangezogen, wo die Standzeiten wichtiger sind und die geringe Kristallgröße gewünscht oder nicht nachteilig ist – meist bei abrasiven oder schleifenden Arbeiten.

Die Herstellung von Diamantwerkzeugen

Alle Diamantwerkzeuge haben eine Gemeinsamkeit: Es handelt sich um einen Materialmix aus Diamanten und Metall. Und zwar folgendermaßen:

  • Der tragende Werkzeugkörper, der typischerweise aus einer Stahllegierung besteht;
  • Die Bindung, also Hartlot, gesinterte Elemente oder auch galvanische Verbindungen, die als Bettung für die Diamantkörner fungieren. Bei PKD-Werkzeugen wird die Diamantschicht auf Hartmetall aufgelötet. Dies dient dazu, im Betrieb auftretende Belastungen besser abzufedern.

Hierbei muss man zunächst von der Vorstellung wegkommen, dass hierfür große Diamanten zum Einsatz kämen. Das wäre vor allem aus Kostengründen nicht zielführend und wird sowieso nur dort angewendet, wo noch natürliche Diamanten genutzt werden – was, wie erwähnt, immer seltener der Fall ist.

Viel mehr werden hier meist feinste Diamantpartikel (deutlich feiner noch als Sandkörner) miteinander sowie einem passenden Metallpulver zu einer Matrix verbunden. Typischerweise werden hierfür sehr präzise Techniken angewendet, die sicherstellen, dass die Materialeigenschaften der Metalle unangetastet bleiben. 

Auf diese Weise entsteht ein hochfestes Werkzeug, auf dem die damit sowie untereinander verbundenen Diamantpartikel für sehr große Standfestigkeit fixiert sind. Das bedeutet in der Praxis auch, dass sich solche Werkzeuge mit der Zeit ganz ähnlich abnutzen, wie es beispielsweise bei einer ganz herkömmlichen Korund-Schleifscheibe der Fall ist – nur eben deutlich langsamer und mit einer viel feineren möglichen Schneide.