Viele Rohstoffe der Bauwirtschaft sind nicht unbegrenzt verfügbar oder bereits knapp. Daher forschen Wissenschaftler verstärkt mit nachwachsenden Rohstoffen für den Einsatz am Bau. Nun ist es gelungen, mit Hilfe von Pilzen die Grundlage für selbsttragende Strukturen zu schaffen. Durch Bambus und Pilzmyzelium entsteht so ein Material, das dazu geeignet sein könnte, Stahl und Beton zu ersetzen.
Die Bauwirtschaft auf der ganzen Welt arbeitet mit einigen wenigen Materialien. Doch diese sind oft nicht endlos verfügbar. Beton beispielsweise wird aus Sand hergestellt, der bereits in manchen Regionen zu erschöpfen droht. Zudem besteht bei der Nutzung von Stahlbeton oft eine Importabhängigkeit. Um dies zu ändern, haben sich Wissenschaftler des Fachbereichs Nachhaltiges Bauen des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) auf die Suche nach Alternativen gemacht. Der Leiter des Fachbereichs Prof. Dirk E. Hebel hat die Vision, dass Häuser in der Zukunft wachsen werden und dass die einzelnen Baustoffe nach der Nutzung wiederverwertet werden können. Das Team um Karsten Schlesier und Felix Heisel besteht aus Bau- und Bioingenieuren, Architekten sowie Material- und Energiewissenschaftlern. Sie untersuchen nachwachsende Rohstoffe und deren Einsatz in der Architektur. Ihre Ergebnisse präsentieren sie aktuell auf der Seoul Biennale of Architecture and Urbanism 2017 unter dem Titel „Beyond Mining – Urban Growth“. Sie haben Bambus und Pilzmyzelium verbunden und mit Methoden grafischer Statik in 3D bearbeitet. Auf diese Weise ist das Gebilde tragfähig und eine Weltneuheit.
Der Pilz als Standwerk
Als Myzelium wird das Wurzelwerk von Pilzen bezeichnet. Es handelt sich um ein schnell wachsendes Geflecht aus feinen Fäden und fadenförmigen Zellen. Als Nahrungsquelle dient dem Pilz Cellulose, dem pflanzlichen Hauptbestandteil. Der Pilz wandelt diese in Chitin um. Zur Herstellung von Bausteinen wurde der Pilz Ganoderma lucidum (Glänzender Lackporling) verwendet und mit pflanzlichen Abfällen oder Holzspänen versetzt. Mycotech in Indonesien ist der Industriepartner der KIT. Auf deren Farm entsteht innerhalb weniger Tage eine dichte schwammähnliche Substanz. Diese kann in eine beliebige Form gefüllt werden, in der sie sich verdichtet. Ist die Dichte und Größe ausreichend, wird sie getrocknet. Dies dient dem Zweck, den Pilz abzutöten und das Wachstum zu stoppen. Im Ergebnis liegen Bausteine vor, die leicht sind und gut isolieren.
Mit modernen Mitteln zum Ergebnis
Nachwachsende Rohstoffe verfügen in der Regel über eine geringe Druck- und Zugbelastbarkeit. Wird jedoch die geometrische Form gezielt beeinflusst, können diese Eigenschaften verbessert werden. Um dies zu erreichen, verwenden die Wissenschaftler des KIT und der ETH Zürich Methoden grafischer Statik. Hierbei wird die zweidimensionale grafische Statik in eine dreidimensionale Statik umgewandelt. Auf diese Weise können nachwachsende Rohstoffe das Potenzial erhalten, konventionelle Baustoffe zu ersetzen.