In Bonn beginnt der Prozess zu einem tödlichen Unfall, der sich auf einer Baustelle in Beuel Anfang 2008 ereignet hatte. Vor dem Amtsgericht müssen sich ein 35-jährige Bauunternehmer und ein 71-jähriger Bauingenieur verantworten. Belangt wird darüber hinaus ein Statiker, gegen den ein eigenes Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt eröffnet wird. Die Staatsanwaltschaft wirft den Statikern vor, den Unfall durch fehlerhafte Berechnung des Gebäudes verursacht zu haben. Dem Bauunternehmer hingegen wird zur Last gelegt, dass er die Bauarbeiter beim Justieren der Betonplatten nicht auf die Gefahren aufmerksam gemacht habe.
„Als die Betonplatte langsam wieder abgesenkt war, passierte es. Es hörte sich an, als würde das gesamte Gebäude einstürzen.“ Mustafa H. (Name geändert), 38 Jahre alt, kann sich kaum an den 14. Januar 2008 erinnern, ohne dass ihm die Tränen kommen. Bei dem Baustellen-Unfall in Beuel hat der Bauarbeiter einen langjährigen Freund und Kollegen verloren: Der 34-Jährige, verheiratet und Vater von zwei kleinen Kindern, wurde unter einer sechs Meter langen, 4,5 Tonnen schweren Betonplatte begraben. Der Mann war sofort tot. Aber auch Mustafa H. wird von der herabstürzenden Decke getroffen, seine beiden Füße werden zertrümmert. Der Mann, ebenfalls verheiratet und Vater eines vierjährigen Sohnes, bleibt am Leben: 25 Operationen folgen und ein Schmerz, der ihn nicht mehr schlafen lässt.
Hintergrund für den Unfall: Die von einer Fachfirma gelieferten Spannbetonhohldielen mussten wegen Niveauunterschieden von bis zu fünf Zentimetern neu justiert werden. Mit Hilfe eines Krans wurde Platte um Platte vorsichtig angehoben, darunter arbeitete Mustafa H., der von einer Leiter aus die Stahlauflagen auffütterte. Bei den Platten 5 und 6 ging noch alles gut, mit Nummer 7 kam die Tragödie. Halb begraben sah er den Vater des Bauunternehmers, der bis Ende Dezember 2007 bei seinem Sohn als Fachbauleiter angestellt gewesen war. Der heute 59-Jährige konnte sich nicht mehr rühren, seine Hüften waren zertrümmert. 32 Brüche zählten später die Ärzte.
Vor dem Bonner Amtsgericht muss jetzt die Ursache des Unfalls geklärt werden. Nach Ansicht des 71-jährigen Statikers hätte der Bauunternehmer das Justieren nicht eigenmächtig in die Hand nehmen sollen, sondern den angekündigten Besuch der Fachfirma für den nächsten Morgen abwarten müssen. Der Bauunternehmer hingegen ist überzeugt, dass die Schwachstelle ein architektonisches Problem war: Während auf der einen Seite justiert wurde, hat das gegenüberliegende Mauerwerk aus Bimsstein versagt; die Auflage sei für die schweren Betonplatten zu schwach gewesen.
Der Tod des Bauarbeiters hätte laut Staatsanwaltschaft dennoch vermieden werden können. Denn der 34-Jährige hatte nichts mit der Justierung zu tun, sondern war mit der Verschalung von Wänden beschäftigt. Als die Decke herunterkam, war er kurz zuvor durchs Fenster nach innen gesprungen, um Spannschlösser anzuziehen. Unter den Betonplatten jedoch hatte der Mann wegen des Risikos nichts zu suchen, meint der Ankläger. Das aber hatte niemand dem Verunglückten mitgeteilt.