Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels sind besonders auch die Beschäftigten von Bedeutungen, die man auf den ersten Blick gar nicht als solche erkennt – beispielsweise Migranten. Heutzutage hat jeder fünfte Angestellte im deutschen Handwerk einen Migrationshintergrund. Die Mehrheit der ausländischen Beschäftigten hat seine Wurzeln in mittel- und osteuropäischen Staaten. Aber auch Bürger aus der Türkei, Vietnam oder den Vereinigten Arabischen Emiraten kommen zum Leben und Arbeit in die Bundesrepublik.
Die Handwerkskammer Ostfriesland bestätigt mit ihren Zahlen, dass die Migranten eine wesentliche Rolle in den Handwerksbetrieben spielen. Dass die Politik hier also in Zukunft weiter viel Investition in die Bildung und Qualifizierung von Zuwanderern tun muss, fordert das Handwerk daher schon seit längerem. Sich nur durch die Förderung und Unterstützung beim Erlernen der deutschen Sprache einzusetzen, ist dabei nicht ausreichend. Vielmehr müssen auch die Betriebe, die Zuwanderer beschäftigen, deren Potenzial erkennen und entsprechende Förderungen in die Wege leiten. So hat es auch der ostfriesische und gleichzeitig Deutschlands größter Hersteller von Windkraftanlagen, ENERCON, vorgemacht. Dort erkannte man die Fähigkeiten des Hilfsarbeiters Mentor Kaçaniku, der heute erfolgreich als Fachkraft des Maler- und Lackiererhandwerks im Berufsleben steht.
Mentor Kaçaniku kam ursprünglich als Kriegsflüchtling nach Deutschland. Mit siebzehn sollte Kaçaniku, Kosovoalbaner, aufgrund des Krieges in seinem Land zwangsrekrutiert werden. Für ihn stand damals fest, dass er nicht für diesen Krieg sterben wollte. Seine bis dahin absolvierte gymnasiale Schullaufbahn musste er damit unterbrechen. Während seine Eltern im Kosovo blieben, ging er als Kriegsflüchtling nach Deutschland. Damals wollte er eigentlich mit der Schule weitermachen, das war aufgrund der Sprachprobleme aber leider nicht möglich. Darüber hinaus wollte und musste er Geld verdienen, um seine zurückgebliebenen Eltern und Geschwister in der Heimat zu unterstützen. So begann er sich als Kellner, Küchenhilfe oder mit anderen Gelegenheitsarbeiten durchzuschlagen. Nach vier Jahren stieß er dann auf eine Ausschreibung der ENERCON. Für ihn stand fest, dass er es schaffen musste, über die Hilfsarbeitertätigkeiten hinaus etwas zu erreichen. Obwohl er eine ungelernte Kraft war, stellte ihn das Unternehmen damals, 1998, in der Maler- und Lackierabteilung der Tochtergesellschaft RBO Rotorblattoberfläche ein. Über die Jahre hinweg arbeite er sich sukzessive hoch, er wurde Anlagenführer der automatisierten Lackierung und noch vor kurzem war er Schichtleiter in seinem Bereich.
Später bot ihm das Unternehmen an, sich zum Meister ausbilden zu lassen, was er sofort annahm. Innerhalb von drei Jahren bestand er alle vier Teile zur Meisterprüfung im Maler- und Lackiererhandwerk und legte zeitgleich seine Gesellenprüfung ab. Kaçaniku absolvierte verschiedene Fortbildungslehrgänge, wie „Technischer Fachwirt“ oder auch die „Ausbildereignungsprüfung“ ablegen – stets nach Feierabend. Parallel bereitete er sich auf seinen Berufsabschluss vor. Heute arbeitet er immer noch bei ENERCON und sieht die Abläufe mit anderen Augen. Denn nicht zuletzt wegen seiner Qualifizierung sieht er die Prozesse heute ganz anders und mit einem größeren Hintergrundwissen als noch vor einigen Jahren.
Wenn man Kaçaniku nach seiner Heimat fragt, kann er diese Frage nicht klar beantworten. Er hat inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft und hat sich hier seine eigene Familie aufgebaut. Er besucht zwar stets auch seine Familie im Kosovo, dennoch möchte er seinen Kindern in Deutschland eine besser Zukunft bescheren als dies in seiner Heimat möglich wäre.