Arbeitnehmer, die Straftaten zu Lasten ihres Arbeitgebers begehen, können in der Regel fristlos entlassen werden. Es entscheidet jedoch immer der Einzelfall. So kann die fristlose Kündigung trotz Diebstahl dann unwirksam sein, wenn dieses Verhalten im Betrieb bislang so „üblich“ war. Wann aber liegt eine derartige betriebliche Übung vor? Und schließt dies immer auch eine Kündigung aus?
Was ist passiert?
Der Arbeitnehmer entnahm aus der Werkstatt seines Arbeitgebers diverse Materialien wie Unterlegscheiben, Federringe sowie selbstsichernde Muttern. Die Muttern waren nach dem erstmaligen Gebrauch nicht mehr wiederverwendbar. Nachdem der Arbeitnehmer das Material in seiner Tasche verstaut hatte, wurde er durch den Arbeitgeber beim Verlassen der Werkstatt auf „frischer Tat“ ertappt. Der Arbeitnehmer bestritt die Mitnahme der Gegenstände nicht. Er räumte direkt ein, sie für sich zu Hause verwenden zu wollen. Die Unterlegscheiben habe er sich nur ausleihen und am nächsten Tag wieder zurückbringen wollen.
Der Arbeitgeber sah in dem Verhalten hingegen einen versuchten Diebstahl und hörte den Betriebsrat zu einer außerordentliche Kündigung an. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung, da es betriebliche Übung im Unternehmen sei, sich nach Absprache mit dem jeweiligen Leiter Sachen „auszuleihen“.
Der Arbeitgeber kündigte dem Arbeitnehmer fristlos, hilfsweise ordentlich. Hiergegen erhob der Arbeitnehmer Klage.
Die Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht Hamm (Az. 15 Sa 1509/14) gab der Kündigungsschutzklage statt. Das Argument des Arbeitgebers, dass, wenn überhaupt, nur Werkzeuge und das auch nur nach vorheriger Genehmigung ausgeliehen werde dürfen, war für das Gericht unbeachtlich. Maßgeblich sei, dass das Ausleihen von Arbeitsgegenständen im Allgemeinen betriebsüblich war. Dies rechtfertige das Verhalten des Arbeitnehmers.
Selbst für den Fall, dass die betriebliche Übung ohne Kenntnis der Geschäftsführung entstanden sein sollte (so der Arbeitgeber) und auch der die Genehmigung erteilende Mitarbeiter eigentlich gar keine Berechtigung hierzu hatte, so kann eine außerordentliche Kündigung trotzdem nicht wirksam erfolgen. Das Verhalten des Arbeitnehmers sei auch unter Berücksichtigung dieser Einwände des Arbeitgebers nicht so gravierend, dass eine Weiterbeschäftigung unzumutbar wäre.
Schlussendlich konnte der Arbeitgeber auch nicht beweisen, dass der Arbeitnehmer die „geliehenen“ Sache tatsächlich nicht wieder zurückbringen wollte und das die betriebliche Übung nur für Werkzeuge entstanden sein soll.
Fazit
In der Regel stellt eine Straftat zu Lasten des Arbeitgebers einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung dar. Dies gilt auch bei nur geringwertigen Gegenständen. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits im bekannten „Bienenstich“ Urteil (Az. 2 AZR 3/83) entschieden, dass der Verzehr eines nicht bezahlten Stück Kuchens, zur fristlosen Kündigung führen kann. Und auch der Fall „Emmely“ (Az. 2 AZR 541/09) hat gezeigt, dass die Mitnahme eines Pfandbons in Höhe von 1,30 € grundsätzlich eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann, wenn auch im konkreten Fall die Abwägung zu einem anderen Ergebnis führte.
Im Prozess ist grundsätzlich der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbealstet. Er muss alles darlegen und beweisen, was die Kündigung rechtfertigt. Soweit der Arbeitnehmer keine völlig haltlosen Argumente anführt, besteht für Arbeitgeber die Gefahr, derartige „Schutzbehauptungen“ nicht widerlegen zu können.
Praxistipp: Um für den Fall der Fälle gewappnet zu sein, ist Arbeitgebern zu empfehlen nachweisbar (= schriftlich!) und unmissverständlich klar zu stellen, das Betriebsmittel, gleich welcher Art, nicht ausgeliehen werden dürfen bzw. konkret festzulegen, welche Voraussetzungen für eine derartige Mitnahme erfüllt werden müssen.
Autorenhinweis
Die Autorin, Rechtsanwältin Anna Rehfeldt, LL.M mit Sitz in Berlin, berät Unternehmen in den Bereichen Zivil-, Bau- und Vertragsrecht, Arbeitsrecht sowie im Marken-, Patent- und Wettbewerbsrecht. Zudem übernimmt sie das Forderungsmanagement für Unternehmen!
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