Der Bodenleger erscheint auf der Baustelle und die Halle, in der er arbeiten soll, steht noch voll Material und Baustellenmüll. Der bauleitende Architekt weist den Bodenleger an, im Stundenlohn die Halle leerzuräumen, damit der Bodenleger seine Arbeiten dort ausführen kann. Später will der Auftraggeber diese Stunden nicht bezahlen. Zu Recht?
Die Durchsetzung von Werklohnforderungen scheitert oft daran, dass die vertraglichen Grundlagen nicht ausreichen.
Wie kommt ein Vertrag zustande?
Ein Vertrag besteht aus zwei „übereinstimmenden Willenserklärungen“, regelmäßig also Angebot und Annahme. Bei Bauverträgen geht dem meist eine Ausschreibung voraus, also die Aufforderung, ein Angebot abzugeben. Wird ein Angebot nicht unverändert angenommen, sondern mit einer Veränderung, stellt das ein neues Angebot dar. Bei Vertragsverhandlungen mit immer neuen Varianten kommt der Vertrag somit in der letzten Variante zustande.
Es ist darauf zu achten, alle Vertragsbestandteile im Vertrag zu nennen und im Anhang aufzunehmen, die für die Bestimmung der Leistung, die Preisbildung und die Terminfindung von Bedeutung sind. Auch Rangreihenfolgen für den Fall von Widersprüchen und Schnittstellenregelungen sind ratsam.
Musterverträge helfen, an alles zu denken. Sie sollten aber niemals unüberlegt übernommen werden: Jedes Bauvorhaben ist anders und weist seine Eigenheiten auf. Alles, was besprochen worden ist, sollte sich auch im Vertrag wiederfinden.
Vertretungsbefugnisse
Ein Vertrag wird regelmäßig zwischen zwei Personen geschlossen. Diese müssen aber auch befugt sein, den jeweiligen Vertragspartner zu vertreten! In der Praxis wird aber nicht der Vorstand einer Aktiengesellschaft, der Geschäftsführer einer GmbH oder der Bürgermeister einer Gemeinde Verträge schließen – schon gar nicht auf der Baustelle Nachtragsaufträge erteilen. Daher ist im Vertrag zu regeln, wer den jeweiligen Vertragspartner rechtsgeschäftlich vertritt. Achtung: Architekten oder Projektsteuerer sind nie automatisch befugt, im Namen des Auftraggebers Verträge zu schließen, zu ändern oder zu erweitern! Sie haben nur dafür zu sorgen, dass der geschlossene Vertrag mangelfrei und rechtzeitig umgesetzt wird. Erteilen sie Aufträge, ist der Auftraggeber darüber zu informieren und es ist zu klären, ob der Auftraggeber damit einverstanden ist. Sonst geht der Auftragnehmer meistens leer aus –Architekten z.B. haften nämlich nur dann für den Werklohn des Bauunternehmers, wenn sie ihm ausdrücklich auf eigene Rechnung Aufträge erteilen. Das ist eher selten der Fall, so dass der Bodenleger im Ausgangsfall eine Vergütung nicht ohne weiteres durchsetzen kann.
Formerfordernisse
Grundsätzlich sind auch mündliche Verträge wirksam. Ausnahmen gibt es dann, wenn Grundstücke übertragen werden oder Verträge mit öffentlichen Auftraggebern geschlossen werden: Dann gelten besondere Formerfordernisse. Aus Beweisgründen ist jedoch die Schriftform auch dann immer vorzuziehen, wenn es keine Formvorschriften gibt: Der Auftragnehmer muss seien Vergütungsanspruch beweisen, wenn er ihn erfolgreich durchsetzen will!
Besonderheit Stundenlohnarbeiten
Besonders häufig gibt es Streit über Stundenlohnvergütungen. Diese werden nach der VOB/B nur vergütet, wenn ausdrücklich nicht nur die Leistung beauftragt wurde, sondern auch ausdrücklich vereinbart wurde, die Leistung im Stundenlohn zu vergüten. Dann hat der Auftragnehmer aussagekräftige Stundenlohnzettel anzufertigen und werktäglich beim Auftraggeber einzureichen – und nicht erst mit der Schussrechnung.
Rettungsanker
Belastbare Verträge sind daher außerordentlich wichtig, damit der Unternehmer seinen Werklohn auch durchsetzen kann.
Fehlt es jedoch an einer wirksamen Beauftragung, bekommt der Auftragnehmer nur selten eine Vergütung. Nach § 2 Abs. 8 VOB/B hat der Auftragnehmer aber z.B. einen Vergütungsanspruch, wenn die Leistung vom Auftraggeber nachträglich anerkannt wurde oder wenn die Leistung notwendig war, um den Vertrag zu erfüllen, dem Interesse des Auftraggebers entsprach und dem Auftraggeber unverzüglich (!) angezeigt wurde. Hat der Bodenleger umgehend eine Behinderungsanzeige an den Auftraggeber gesandt und unter Bezugnahme auf die Anordnung des Architekten einen Vergütungsanspruch angezeigt, hat er eine Chance, eine Vergütung durchzusetzen.
Autorenhinweis
Der Autor, Rechtsanwalt Frank Zillmer ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht mit eigener Kanzlei seit 1996 in Kiel. Er schult alle am Bau Beteiligten in Inhouse-Seminaren und ist unter anderem Dozent für die Architekten- und Ingenieurkammer Schleswig-Holstein, die Auftragsberatungsstelle Schleswig-Holstein und den Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen.
Seine Webinare, Online-Workshops und Online-Kurse sind bundesweit buchbar: www.zillmer-seminare.de
VOB/B und Bauvertragsrecht Online-Kurs: https://www.zillmer-seminare.de/vob-schulung
Rechtsanwalt Frank Zillmer
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
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