Bedenken richtig anzeigen

Fliesen fallen von der Wand. Nicht, weil der Fliesenleger seine Leistung falsch erbracht hat, sondern weil der Putz, auf den er aufbaut, nicht fest genug ist. Der Fliesenleger haftet trotzdem, wenn er keine Bedenken angezeigt hat. Denn die Bedenkenanzeige schützt den Handwerker davor, für fremd verursachten Mängel zu haften. Dabei ist einiges zu beachten.

Mit einer Bedenkenanzeige soll eine künftige Mängelhaftung verhindert werden. Das gelingt nur, wenn die Bedenken „richtig“ angezeigt werden.

Haftung für fremd verursachte Mängel

Auftragnehmer haften nach § 13 Abs. 3 VOB/B auch dann für einen Mangel, wenn dieser Mangel auf die Planung, Leistungsbeschreibung oder auf Anordnungen des Auftraggebers oder Bauteile oder die Beschaffenheit der Vorleistung eines anderen Unternehmers zurückzuführen ist.

Wie kann der Auftragnehmer der Haftung für fremd verursachte Mängel entgehen?

Dieser Haftung kann der Auftragnehmer nach § 4 Abs. 3 VOB/B nur entgehen, wenn er vor Ausführung seiner Leistung Bedenken nach der ihm obliegenden Prüfung angemeldet hat – und das auch belegen kann. 

Prüfungspflicht

Die Haftung für einen solchen Mangel besteht aber nur, soweit den Auftragnehmer überhaupt eine Prüfungs- und Hinweispflicht trifft. Deren Umfang ist jedoch nicht in allgemeingültiger Weise festgelegt. Es gibt keine „Liste“, an die man sich halten könnte.

  • Prüfungspflichten ergeben sich zum einen aus § 4 Abs. 1 Nr. 4 und § 4 Abs. 3 VOB/B: Danach hat der Auftragnehmer Bedenken gegen Anordnungen des Auftraggebers geltend zu machen, die er für unberechtigt oder unzweckmäßig hält; zudem muss der Auftragnehmer Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung, die Güte gelieferter Stoffe oder gegen die Leistung von Vorunternehmern geltend machen.
  • Weitere Pflichten ergeben sich aus der VOB/C. Für jedes Gewerk finden sich in der VOB/C identisch strukturierte Allgemeine Technische Vertragsbedingungen. Jeweils in Abschnitt 3.1.1 sind (nicht abschließende!) Prüfungspflichten aufgezählt.
  • Prüfungspflichten können sich auch aus Herstellerrichtlinien ergeben: Hersteller können darin z.B. regeln, dass ihr Abdichtungsmaterial nur bei bestimmten klimatischen Verhältnissen auf einem fett- und staubfreien Untergrund mit einer bestimmten Haftzugfestigkeit aufgebracht werden dürfen. Dann muss der Auftragnehmer diese Parameter prüfen, bevor er das Material verbaut.
  • Prüfungspflichten können sich zudem aus allgemein anerkannten Regeln der Technik ergeben, aus Veröffentlichungen von Fachverbänden und vielen weiteren Quellen.

Grenzen der Prüfungspflichten

Diese Prüfungspflichten sind jedoch nicht uferlos. Begrenzt werden diese Prüfungspflichten nach der Rechtsprechung zunächst dadurch, dass der Auftragnehmer nur die Leistungen usw. prüfen muss, auf die er aufbaut und auch diese nur soweit, wie ihm dies zumutbar ist.
Die Ausgestaltung der Hinweis- und Prüfungspflicht hängt auch davon ab, welcher Pflichtenkreis des Auftragnehmers betroffen ist:

  • So ist die Prüfungspflicht am stärksten hinsichtlich der vom Auftraggeber bereitgestellten Stoffe oder Bauteile, weil auf diesem Gebiet die Sachkenntnis des Auftragnehmers, der üblicherweise selbst die Stoffe oder Bauteile bereitstellt und für deren Ordnungsgemäßheit einstehen muss, am größten ist.
  • Als geringer ist der Umfang der Prüfungspflicht hinsichtlich der Vorleistung anderer Unternehmer einzuordnen, da diese das Fachgebiet des Auftragnehmers nur dort berühren, auf denen seine Leistung unmittelbar aufbaut.
  • Am geringsten ist die Prüfungspflicht dort, wo es um die vorgesehene Art der Ausführung geht, weil diese grundsätzlich dem Planungsbereich zuzuordnen ist, in dem der Auftraggeber regelmäßig einen eigenen Fachmann, nämlich einen planenden Architekten oder Ingenieur beschäftigt.

Gibt es Formerfordernisse oder zeitliche Grenzen?

Ein Hinweis kann entgegen dem Wortlaut des § 4 Nr. 3 VOB/B mündlich erfolgen,  sofern er eindeutig, d.h. inhaltlich klar, vollständig und erschöpfend ist. Probleme ergeben sich dann aber in der Praxis, diese Bedenkenanzeige und deren Inhalt und Umfang zu beweisen. Daher sollte man seine Bedenken vorsorglich immer schriftlich fixieren.

Diese Bedenken sind möglichst frühzeitig geltend zu machen, damit der Auftraggeber zeitig reagieren kann. So können schon im Zuge der Ausschreibung Fehler erkannt werden; dann ist der Bieter schon gehalten, hierauf hinzuweisen.

Was muss in der Bedenkenanzeige stehen?

Sinn und Zweck der Bedenkenanzeige ist es, den Auftraggeber in die Lage zu versetzen, eine eigene sachgerechte Entscheidung (eine Risikoabwägung) zu treffen.

Hierzu muss die Bedenkenanzeige eindeutig, inhaltlich klar, vollständig und erschöpfend sein Das alleinige zitieren von allgemein anerkannten Regeln der Technik, Herstellerrichtlinien, DIN-Normen usw. reicht also nicht aus. Dargelegt werden müssen auch alle denkbaren Folgen, die es hat, die Bedenken nicht auszuräumen.

Nur dann kann der Auftraggeber entscheiden, ob er seinen anderen Vertragspartner (z.B. den Planer oder den Vorunternehmer) auffordert, ihre Leistung nachzubessern oder von seinen Anordnungen abzurücken.

Achtung: Die Wirkung der Bedenkenanzeige reicht immer nur so weit, wie die Bedenken geltend gemacht worden sind. Wird nur eine mögliche Schadensfolge (z.B. Schallschutzprobleme) benannt und tritt stattdessen eine andere („zweite“) Schadenfolge (z.B. Feuchtigkeitseintritt) ein, entlastet die Bedenkenanzeige den Auftragnehmer insoweit regelmäßig nicht.

Nicht notwendig ist es, Abhilfemaßnahmen aufzuzeigen. Das kann auch gefährlich werden, weil man damit ungefragt Planungsleistungen erbringen kann, die zu einer entsprechenden Haftung führen können.

An wen ist die Bedenkenanzeige zu richten?

Es ist Sinn und Zweck der Bedenkenanzeige, den Auftraggeber in die Lage zu versetzen, eine eigene sachgerechte Entscheidung zu treffen. Daher ist immer nur der Auftraggeber alleiniger Adressat der Bedenkenanzeige.

An den Architekten gerichtete Bedenkenanzeigen sind insbesondere dann nicht entlastend, wenn Mängel an der Planung geltend gemacht werden: Es kann nicht sicher davon ausgegangen werden, dass der Planer eigene Fehler an den Auftraggeber weiterleitet.

Was tun, wenn die Bedenkenanzeige nicht fruchtet?

Problematisch ist die Situation, wenn der Auftraggeber z.B. aus Kostengründen oder Gründen der Ästhetik die Bedenken des Auftragnehmers in den Wind schlägt.

Nach § 4 Absatz 1 Nr. 4 VOB/B hat der Auftragnehmer die Anordnungen des Auftraggebers auf Verlangen auszuführen, wenn nicht gesetzliche oder behördliche Bestimmungen entgegenstehen. Wenn dadurch eine ungerechtfertigte Erschwerung verursacht wird, hat der Auftraggeber die Mehrkosten zu tragen.

Im Einzelfall steht dem Unternehmer aber auch ein Leistungsverweigerungsrecht zu; insbesondere, wenn die weitere Durchführung der Arbeiten eine Gefahr für Leib und Leben beinhaltet.

Achtung: Vertragliche Vereinbarungen sind kein Schutz vor der strafrechtlichen Haftung, wenn aufgrund der Ausführung Personen zu Schaden kommen. Dem Staatsanwalt und dem Strafrichter sind die geltend gemachten Bedenken vielmehr ein Beleg dafür, dass der Auftragnehmer vorsätzlich (!) gehandelt hat. Das gefährdet zudem auch massiv den Versicherungsschutz. Auch zivilrechtliche Ansprüche Dritter (z.B. Ehepartner, Kinder, Besucher des Auftraggebers oder seine Mieter, Erwerber, Rechtsnachfolger) auf Heilbehandlung, Schmerzensgeld, Rente, Beerdigungskosten usw. können nicht ausgeschlossen werden: Es ist nicht möglich, einen „Vertrag zu Lasten Dritter“ zu schließen.

Niemand kann verpflichtet werden, eine mangelhafte Leistung zu erbringen. Im Zweifel kann der Vertrag daher gekündigt werden. So kann man verhindern, eine mangelhafte Leistung ausführen zu müssen.

 

Autorenhinweis

Rechtsanwalt Frank ZillmerDer Autor, Rechtsanwalt Frank Zillmer ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht mit eigener Kanzlei seit 1996 in Kiel. Er schult alle am Bau Beteiligten in Inhouse-Seminaren und ist unter anderem Dozent für die Architekten- und Ingenieurkammer Schleswig-Holstein, die Auftragsberatungsstelle Schleswig-Holstein und den Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen.
Seine Webinare, Online-Workshops und Online-Kurse sind bundesweit buchbar: www.zillmer-seminare.de
VOB/B und Bauvertragsrecht Online-Kurs: https://www.zillmer-seminare.de/vob-schulung


Rechtsanwalt Frank Zillmer
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Alte Dorfstraße 40, 24107 Kiel
Tel.: 0431/3198310
kanzlei@ra-zillmer.de

 

 

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