Betriebliche Übung verhindern – Schutz vor Anspruch auf Weihnachtsgeld oder 13. Monatsgehalt

Die Weihnachtszeit naht und viele Arbeitgeber zahlen ihren Arbeitnehmern Weihnachtsgeld oder das sogenannte 13. Monatsgehalt. Vielfach werden aber auch Sonderzahlungen zur Motivation oder aufgrund von Betriebstreue geleistet. Allerdings ist gut gemeint nicht immer gut gemacht. Bei regelmäßiger Wiederholung kann eine betriebliche Übung entstehen. Hieraus können Arbeitnehmer Ansprüche für die Zukunft herleiten, auch wenn der Arbeitgeber eigentlich gar nicht mehr zahlen kann oder will! Wie kann man sich davor schützen?

Hintergrund
Eine betriebliche Übung ist die regelmäßig und gleichförmige Wiederholung bestimmter Zahlungen oder Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen der Arbeitnehmer berechtigter Weise ein Vertrauen herleiten darf, dass dies auch zukünftig erfolgt.

Ansprüche aus einer betrieblichen Übung führen zu zusätzlichen Ansprüchen des Arbeitnehmers. Die arbeitsvertraglichen oder tarifvertraglichen Ansprüche werden um die aus der betrieblichen Übung ergänzt. Faktisch wird somit der Arbeitsvertrag erweitert. Folge hiervon ist, dass eine betriebliche Übung für sämtliche Bereiche in Betracht kommt, die auch im Arbeitsvertrag geregelt werden könnten. Neben Zahlungen sind dies auch beispielhaft die Anwendung von Tarifverträgen, die Nutzung unternehmenseigener Betriebsmittel zu privaten Zwecken, die Nutzung von Parkplätzen etc. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass alles was bereits vertraglich geregelt ist, nicht zugleich auch eine betrieblich Übung begründet. Insoweit besteht ein Anspruch bereits aus Vertrag.

Beispiel
Das Paradebeispiel einer betrieblichen Übung ist die Zahlung von Weihnachtsgeld oder von Gratifikationen. Werden diese Zahlungen über mehrere Jahre (in der Regel 3 Jahre) gleichförmig und ohne Vorbehalt gezahlt und besteht auch kein vertraglicher Anspruch auf eine Zahlung, kann eine betriebliche Übung entstehen. Folge: Der Arbeitgeber muss auch zukünftig Weihnachtsgeld oder Sonderzahlungen entsprechend leisten!

Achtung: Nach neuer Rechtsprechung  (BAG Az. 10 AZR 266/14) kann eine betriebliche Übung auch bei vorbehaltlosen Zahlungen in unterschiedlicher Höhe entstehen!

Weitere Beispiele für eine betriebliche Übung können sein, die Anwendung bestimmter Tarifverträge, Zahlungen von Essensgeld, Gewährung von Zuschüssen zu Fahrtkosten- oder Kinderbetreuung, Übernahme von Weiterbildungskosten etc.

Rechtsfolge einer betrieblichen Übung ist, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf die entsprechende Leistung hat, auch wenn der Arbeitgeber dies nicht mehr zahlen will oder kann. Arbeitnehmer haben einen Rechtsanspruch auf weitere Zahlungen entsprechen der bisherigen Praxis!

Achtung: Auch eine sogenannte „negative betriebliche Übung“ , also die Nichtleistung über mindestens drei Jahre hinweg, kann nach der Rechtsprechung den Anspruch des Arbeitnehmers nicht ausschließen! (vgl. BAG Az. 10 AZR 281/ 08)

Wie kann man die betriebliche Übung verhindern?

Arbeitgeber können eine betriebliche Übung auf verschiedene Weise verhindern:

  • vertragliche Regelungen: Wer seinen Arbeitnehmern Sonderzahlungen gewähren will, sollte klare Regelungen bereits im Arbeitsvertrag aufnehmen. Unter Umständen auch in Zusatzvereinbarungen zum Arbeitsvertrag. Hierbei sollte Höhe, Fälligkeit sowie weitere Voraussetzungen und Bedingungen einer Zahlung für die Zukunft konkret festgelegt werden.
  • Freiwilligkeitsvorbehalt: Wer keine vertragliche Regelung aufnehemn will, sich aber gleichwohl jedes Jahr neu entscheiden will ob er Zusatzleistungen gewähren will, sollte bei der Zahlung stets einen Freiwilligkeitsvorbehalt hinzufügen.

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    Achtung 1: Der Freiwilligkeitsvorbehalt darf nicht mit einem Widerrufsvorbehalt verbunden werden. Beides schließt sich aus und führt zur Unwirksamkeit beider Vorbehalte!

    Achtung 2: Auch der Freiwilligkeitsvorbehalt im standardisierten Arbeitsvertrag dürfte in der Regel die betriebliche Übung nicht ausschließen. Der Vorbehalt muss stets mit der konkreten Leistung verbunden werden!

Und was wenn es passiert ist?
Ist eine betriebliche Übung entstanden, stellt sich für Arbeitgeber die Frage: Wie kann man dies wieder beseitigen?

Eine negative betriebliche Übung schließt den Anspruch nicht aus (siehe oben). Vielmehr ist aufgrund entstandener betriebliche Übung der Arbeitsvertrag ergänzt worden, sodass diese Ergänzung nur in Form einer Änderungsvereinbarung oder, bei Weigerung des Arbeitnehmers, nur durch eine Änderungskündigung wieder aufgehoben werden kann. Vorausgesetzt die Voraussetzungen einer Änderungskündigung liegen vor!

Eine Anfechtung wegen Irrtums ist in der Regel nicht geeignet eine betriebliche Übung wieder zu beseitigen. Der Anspruch aus betrieblicher Übung wird mit dem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers begründet. Eine Anfechtung bezieht sich hingegen auf Willenserklärungen.

Auch der bloße Irrtum des Arbeitgebers über die Folgen seiner Leistungen (= Entstehen einer betrieblichen Übung) oder die Fehlvorstellung, vertraglich zur Zahlung verpflichtet zu sein, rechtfertigt in der Regel keine Anfechtung.

Achtung: Erkennt aber der Arbeitnehmer den Irrtum oder die Fehlvorstellung des Arbeitgebers, kann dies dazu führen, dass er trotz betrieblicher Übung keinen Anspruch hieraus herleiten kann. Dies nämlich dann, wenn er hierbei gegen Treu und Glauben verstoßen würde. Dies ist jedoch vom jeweiligen Einzelfall abhängig.

Auch ein einseitiger „Widerruf“ durch den Arbeitgeber ist nicht geeignet eine betriebliche Übung zu beseitigen.  Es ist insoweit entweder eine Änderungsvereinbarung oder Änderungskündigung erforderlich (s.o.)
Ausnahme: Es wurde ausdrücklich ein Widerrufsvorbehalt erklärt. Dieser muss aber klar und eindeutig sein und darf nicht in Verbindung mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt erklärt werden (s.o.).

Schlussendlich können auch Betriebsvereinbarungen eine betriebliche Übung nicht wieder beseitigen. Die Ansprüche aus einer betrieblichen Übung werden dem Arbeitsvertrag zugeordnet. Dieser individuelle Einzelvertrag unterliegt nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Betriebsvereinbarungen können nur insoweit getroffen werden, wenn dies zu Gunsten der Arbeitnehmer erfolgt. Die Beseitigung einer betrieblichen Übung würde jedoch zum Verlust eines Anspruchs des Arbeitnehmers führen, mithin nachteilig für diesen wirken, sodass sich der Ausschluss dem Regelungsbereich von zulässigen Betriebsvereinbarungen entzieht.

Autorenhinweis

Rechtsanwältin Anna RehfeldtDie Autorin, Rechtsanwältin Anna Rehfeldt, LL.M mit Sitz in Berlin, berät Unternehmen in den Bereichen Zivil-, Bau- und Vertragsrecht, Arbeitsrecht sowie im Marken-, Patent- und Wettbewerbsrecht. Zudem übernimmt sie das Forderungsmanagement für Unternehmen!
Etabliert haben sich insbesondere ihre Inhouse-Schulungen sowie ihr Angebot einer externen Rechtsabteilung (http://www.ra-rehfeldt.de/service/)!


Rechtsanwältin Anna Rehfeldt, LL.M.
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Tel.: +49 (0) 30 – 311 79 106, Mobil: +49 (0) 172 – 574 2012
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