Verzögerungen sind auf der Baustelle keine Seltenheit und können leicht den gesamten Bauablauf behindern. Denn in Verzug geratene Bauausführungen führen dazu, dass Folgegewerke nicht zu dem vereinbarten und vorgesehenen Zeitpunkt mit ihrer Leistung beginnen können. Dies verursacht schnell hohe Kosten. Doch wer zahlt diese Stillstandskosten? Was können Auftragnehmer in einem solchen Fall geltend machen und wie ist mit Mehrkosten umzugehen?
Durch Verzögerungen kann es bei Bauunternehmen zu erheblichen Mehrkosten kommen, die nicht einkalkuliert sind: Oft geht es nicht nur um Stillstandskosten für Mitarbeiter, die eine Stunde untätig warten müssen.
Viel gravierender sind Mehrkosten, die bei einer monatelang verspäteten Bauausführung entstehen: Personalkosten können durch Tariferhöhungen gestiegen sein, Baumaterial kann teurer geworden sein oder Nachunternehmer sind aus der Preisbindefrist gefallen und verlangen eine höhere Vergütung oder stehen nicht mehr zur Verfügung und müssen durch teureres Personal ersetzt werden.
Auftraggeber möchten diese Mehrkosten naturgemäß nicht tragen, weil die Verzögerung meist schon teuer genug geworden ist. Auftragnehmer haben aber nicht ohne weiteres einen Anspruch auf Erstattung dieser so genannten „mittelbaren Mehrkosten“.
Wie bekomme ich Stillstandskosten ersetzt?
Stillstandskosten kann der Auftragnehmer über § 642 BGB ersetzt bekommen:
Unter die Stillstandskosten fallen Kosten für nicht einsetzbares und somit „wartendes“ Personal, zeitabhängige Baustellengemeinkosten z.B. für Bauzaun, Baucontainer, Kran usw. Denken Sie auch an die allgemeinen Geschäftskosten, denn auch diese laufen weiter.
Das BGB sieht verschuldensunabhängige Entschädigungsansprüche für solche Stillstandskosten in § 642 BGB zwar grundsätzlich vor. Diese Regelung gilt übrigens nicht nur für BGB-Verträge, sondern auch für VOB/B-Verträge, weil die VOB/B insoweit nichts Abweichendes regelt.
Allerdings kann der Auftragnehmer nur dann eine Entschädigung nach § 642 BGB (z.B. für die Stillstandskosten) verlangen, wenn der Auftraggeber seinen Pflichten am Bau nicht nachkommt und das Bauwerk deshalb nicht fertig gestellt werden kann.
Dass z.B. durch das Corona-Virus die Baustelle zum Erliegen kommt und der Auftragnehmer deshalb aufgrund fehlender Vorleistungen nicht leisten kann, liegt außerhalb des Einflussbereiches des Auftraggebers und ist vergleichbar mit folgender Entscheidung des Bundesgerichtshofes:
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat für den Fall von Schlechtwetter entschieden, dass ein Anspruch auf Entschädigung in solchen Fällen ausscheidet, weil der Auftraggeber seine Vertragspflichten nicht verletzt hat: Er muss die Baustelle nicht vor den Einwirkungen von Schlechtwetter schützen. Der Auftragnehmer kann nämlich nur dann eine Entschädigung verlangen, wenn der Auftraggeber seinen Pflichten am Bau nicht nachkommt und das Bauwerk deshalb nicht fertig gestellt werden kann. Doch diese Voraussetzungen lagen nach Auffassung des BGH bei Schlechtwetter nicht vor: Dem Vertrag sei nicht zu entnehmen gewesen, dass der Auftraggeber während des gesamten Herstellungsprozesses äußere Einwirkungen in Form von Frost, Eis und Schnee abwehren müsse (BGH, Urteil vom 20. April 2017, VII ZR 194/13).
Das wird auch für die Situation gelten, wenn der Auftragnehmer nicht leisten kann, weil die Baustelle durch das Corona-Virus zum Erliegen kommt: Es gibt keine Vertragspflicht des Auftraggebers, die Baustelle und den Bauablauf vor dem Virus zu schützen.
Etwas anders gilt aber z.B. dann, wenn der Auftraggeber die Stilllegung der Baustelle anordnet, obwohl der Auftragnehmer leistungsbereit ist: Dann gerät der Auftraggeber in Annahmeverzug. Dann wird er dem Auftragnehmer die -nachzuweisenden- Stillstandskosten zu ersetzen haben.
Kann der Unternehmer nicht leisten, weil der Auftraggeber ihm keine Vorleistung eines Vorunternehmers (also kein baureifes Grundstück) zur Verfügung stellt oder kann der Architekt nicht leisten, weil ihm der Auftraggeber keine vom Auftraggeber anderweitig beauftragte Fachplanung zur Verfügung stellt, steht dem Unternehmer bzw. dem Architekten ebenfalls ein Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB zu (BGH, Urt. v. 30.1.2020, VII ZR 33/19).
Voraussetzung ist dabei, dass der Auftraggeber es versäumt, seine Mitwirkungspflicht zu erfüllen. Gegebenenfalls ist der Auftraggeber nämlich in der Pflicht, die fehlende Vorleistung durch einen anderen -leistungsfähigen- Vorunternehmer oder Fachplaner erbringen zu lassen, § 642 BGB. Ansonsten gerät er in Annahmeverzug.
Der Anspruch aus § 642 BGB ist aber nur gerichtet auf eine Entschädigung für die Vorhaltung der Produktionsmittel (Stillstandskosten).
Wie bekomme ich spätere Mehrkosten ersetzt?
Etwas anderes gilt für spätere Mehrkosten die entstehen können, weil z.B. Material oder Nachunternehmer zu einem späteren Zeitpunkt teurer sind als zum vertraglich vorgesehenen Zeitpunkt: Solche Kosten werden nie durch § 642 BGB ersetzt.
Spätere Mehrkosten können aber in einem VOB/B-Vertrag über § 2 Abs. 5 VOB/B ersetzt werden, wie das KG Berlin entschieden hat (KG, Urteil vom 29.1.2019):
Wenn der Auftraggeber dem Auftragnehmer mitteilt, dass die Leistung später auszuführen sei, liegt darin eine Änderungsanordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B mit der Folge, dass der AG auch die verzögerungsbedingten mittelbare Mehrkosten zu erstatten hat.
Im BGB-Vertrag könnte sich in einem solchen Fall ein Anspruch aus den seit dem 1.1.2018 geltenden bauvertraglichen Regelungen der §§ 650 b BGB und 650 c BGB ergeben: Auch nach diesen Regelungen hat der Auftraggeber Mehrkosten zu erstatten, die durch seine Anordnungen entstehen.
Autorenhinweis
Der Autor, Rechtsanwalt Frank Zillmer ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht mit eigener Kanzlei seit 1996 in Kiel. Er schult alle am Bau Beteiligten in Inhouse-Seminaren und ist unter anderem Dozent für die Architekten- und Ingenieurkammer Schleswig-Holstein, die Auftragsberatungsstelle Schleswig-Holstein und den Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen.
Seine Webinare, Online-Workshops und Online-Kurse sind bundesweit buchbar: www.zillmer-seminare.de
VOB/B und Bauvertragsrecht Online-Kurs: https://www.zillmer-seminare.de/vob-schulung
Rechtsanwalt Frank Zillmer
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
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