Der europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge von der Zahlung vom Mindestlohn abhängig gemacht werden kann. Wer dagegen verstößt, darf von dem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.
Was ist passiert?
Ein öffentlicher Auftraggeber schloss einen Bieter vom Vergabeverfahren aus, weil dieser sich auch nach wiederholter Aufforderung weigerte, bei Erteilung des Zuschlags seinen Beschäftigten einen Mindestlohn zu zahlen. Der Mindestlohn wurde vorab in den entsprechenden Bestimmungen der Vergabebekanntmachung festgelegt. Der Auftragswert betrug mehr als 200.000 € und wurde unionsweit ausgeschrieben. Die Vergabeunterlagen nahmen auf ein nationales Gesetz Bezug, wonach öffentliche Aufträge nur an Bieter vergeben werden dürfen, die sich bei Abgabe des Angebots verpflichteten, ihren Beschäftigten beim Einsatz ein Mindestentgelt von ca. 8,70 € brutto/Stunde zu zahlen (Tariftreuegesetz des Landes Rheinland-Pfalz)
Hinweis: Das Tariftreuegesetz will Niedriglöhne vermeiden und den damit verbundenen Verzerrungen des Wettbewerbs entgegentreten. Einen bundesweit geltenden Tarifvertrag zum Mindestlohn gab es im maßgeblichen Zeitraum nicht. Auch galt der zum 01.01.2015 eingeführte gesetzliche Mindestlohn noch nicht.
Die Entscheidung
Das OLG Koblenz (1 Verg 8/13) wollte vom EuGH u.a. wissen, ob nationale gesetzliche Bestimmungen mit dem Unionsrecht vereinbar sind, die es öffentlichen Auftraggebern erlauben, Bieter und deren Subunternehmenr vom Vergabeverfahren auszuschließen, wenn diese sich nicht zur Zahlung des Mindestlohns verpflichten. Der EuGH (Az. C-115/14) hat dies nun in Bezug auf das Tariftreuegesetz bejaht. Es ist demnach mit dem Unionsrecht vereinbar, dass nationale Regelungen den Ausschluss vom Vergabeverfahren vorsehen, wenn sich Bieter nicht zur Zahlung eines Mindestlohns verpflichten. Öffentliche Auftraggeber können verlangen, dass sich Bieter in einer schriftlichen und dem Angebot beizufügenden Erklärung verpflichten, einen vorab festgelegten Mindestlohn zu zahlen. Dies sei nach Ansicht des EuGH eine nach der Richtlinie zulässige zusätzliche Bedingung, die sich auf die Ausführung des Auftrages bezieht und soziale Aspekte erfasst. Vorliegend seien die Anforderungen auch hinreichend transparent und nicht diskriminierend. Etwaige Bedenken in Bezug auf Verstöße gegen die Dienstleistungsfreiheit sind durch das Ziel des Arbeitnehmerschutzes gerechtfertigt.
Auch stehe die vormals getroffenen Entscheidung in der Sache „Rüffert“ (EuGH, Urt. v. 03.04.2008 Az. C-346/06) dem nicht entgegen, da in dem vorliegenden Verfahren, anders als in der Sache „Rüffert“, der Mindestlohn in einer Rechtsvorschrift als zwingend vorgeschrieben wird und allgemein und branchenunabhägig für die Vergabe aller öffentlicher Aufträge gilt. „Rüffert“ hingegen betraf nur einen, nicht für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag bezogen auf die Baubranche.
Fazit
Nach Ansicht des EuGH kann die öffentliche Auftragsvergabe von der Zahlung eines Mindestlohns abhängig gemacht werden. Bieter, die sich zu einer solchen Zahlung nicht bereit erklären, können vom Verfahren ausgeschlossen werden. Dies dürfte auch für Mindestlohnvorgaben gelten, die über den seit 01.01.2015 festgelegten Stundenlohn von 8,50 € liegen.
Weitere Informationen:
Der Mindestlohn im Vergabeverfahren
Autorenhinweis
Die Autorin, Rechtsanwältin Anna Rehfeldt, LL.M mit Sitz in Berlin, berät Unternehmen, Freiberufler und sonstige Gewerbetreibende in den Bereichen Zivil-, Bau- und Vertragsrecht, Arbeitsrecht sowie im Marken-, Patent- und Wettbewerbsrecht. Hierbei liegt ihr Fokus in der Beratung und Betreuung von Handwerksbetrieben und kleinen- mittelständischen Unternehmen bei der alltäglichen Praxis! Etabliert haben sich insbesondere auch ihre Inhouse-Schulungen vor Ort!
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