Der seit Januar 2015 geltende gesetzliche Mindestlohn in Höhe von 8,50 €/ brutto pro Stunde stellt nur einen „Mindeststandard“ dar. Die im vergaberechtlichen Verfahren zu berücksichtigen länderspezifischen Vorgaben gehen im Zweifel dem MiLoG vor. Dass heißt, der Auftraggeber kann einen höheren Mindestlohn verlangen, wenn dies in den länderspezifischen Vorgaben festgelegt ist!
Was ist passiert?
Ein Auftraggeber aus Rheinland-Pfalz schrieb im offenen Verfahren europaweit Postdienstleistungen aus. In den Unterlagen wurde die Einhaltung des Landestariftreuegesetzes Rheinland-Pfalz (LTTG) vorgeschrieben. Die Einhaltung sollte durch die Unterzeichnung einer Verpflichtungserklärung gemäß § 3 I LTTG bescheinigt werden. Das LTTG sah zu der Zeit einen Mindestlohn in Höhe von 8,90 € vor. Ein Bieter wandte sich gegen diese Vorgaben, da allein die Mindestlöhne nach dem MiLoG anzusetzen seien. Das MiLoG gehe den länderspezifischen Regelungen als Bundesrecht vor.
Die Entscheidung
Die Vergabekammer des Landes Rheinland-Pfalz (Beschl. v. 23.02.2015 VK 1-39/14 (nicht bestandskräftig)) stellte hingegen fest, dass die Regelungen des MiLoG keine Sperrwirkungen gegenüber den länderspezifischen Regelungen zur Höhe des Mindestlohns haben.
Das (bundesrechtliche) MiLoG unter fällt kompetenzrechtlich dem arbeitsrechtlichen Regime. Das LTTG ist hingegen als Vergaberecht dem Wirtschaftsrecht zuzuordnen. Beide Regelungsbereiche unterstehen unterschiedlichen Gesetzgebungskompetenzen. Zwar habe der Bundesgesetzgeber mit den Regelungen des GWB im Bereich Wirtschaft von seiner Kompetenz Gebrauch gemacht. Allerdings hat er hierbei in § 97 IV S. 3 GWB ausdrücklich klargestellt, dies nicht abschließend erfolgt (Öffnungsklausel). Länderspezifische Regelungen seien somit auch weiterhin zulässig.
Des Weiteren sind die Zielsetzungen sowohl des MiLoG als auch der vergaberechtlichen Vorgaben des LTTG unterschiedlich. Das MiLoG begründet einen unmittelbaren Zahlungsanspruch des Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber auf Zahlung einer etwaigen Differenz zum Mindestlohn. Das LTTG begründet hingegen einen vertraglichen Anspruch des Auftraggebers gegen den Bieter/ Auftragnehmer.
Folge dieser unterschiedlichen Kompetenzbereiche und Zielsetzungen sei somit, dass das MiLoG lediglich als Mindeststandard angesehen werden kann. Landesspezifische abweichende Regelungen können zu Gunsten der Arbeitnehmer zulässig sein, sodass auch Auftraggeber einen erhöhten Mindestlohn der Ausschreibung zu Grunde legen können
Fazit
Das seit Beginn des Jahres 2015 geltenden MiLoG enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass der Bundesgesetzgeber höhere Mindestlöhne, die nach länderspezifischen Vergabevorlagen gelten, ausschließen wollte. Wie die Vergabekammer ausführt, ist dies vielmehr nur ein „Mindeststandard“ arbeitsrechtlicher Natur. Die Vergabevorgaben der Länder bleiben unberührt, wenn und soweit sie zu Gunsten der Arbeitnehmer hiervon abweichen.
Achtung: Gemäß § 19 MiLoG kann es bei Missachtung der Vorgaben nach dem MiLoG ab einer gewissen bußgeldbewährten Ordnungswidrigkeit, zu einem Ausschluss von der öffentlichen Auftragsvergabe kommen. Auftragnehmer sollten von daher neben den Entgelten auch die sonstigen Vorgaben, insbesondere zur Dokumentation der Arbeitszeit beachten!
Die Entscheidung ist neben den rheinland-pfälzischen Auftraggebern für die übrigen Bundesländer ebenfalls bedeutsam. Es bestehen auch hier ähnliche landesrechtliche Tariftreue- und Vergabegesetze. Es bleibt auch noch die Entscheidung des EuGH zur Vereinbarkeit derartiger Regelungen mit europäischem Recht abzuwarten.
Autorenhinweis
Die Autorin, Rechtsanwältin Anna Rehfeldt, LL.M mit Sitz in Berlin, berät Unternehmen, Freiberufler und sonstige Gewerbetreibende in den Bereichen Zivil-, Bau- und Vertragsrecht, Arbeitsrecht sowie im Marken-, Patent- und Wettbewerbsrecht. Hierbei liegt ihr Fokus in der Beratung und Betreuung von Handwerksbetrieben und kleinen- mittelständischen Unternehmen bei der alltäglichen Praxis! Etabliert haben sich insbesondere auch ihre Inhouse-Schulungen vor Ort!
Rechtsanwältin Anna Rehfeldt, LL.M.
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