Bei öffentlichen Ausschreibungen sind insbesondere auch die Vorgaben zum Mindestlohn zu beachten. Zudem gilt der Grundsatz das Aufträge nicht (nur) zum Selbstkostenpreis vergeben werden dürfen. Was aber tun wenn Solo-Selbstständige oder Bieter Angebote zum Unterkostenpreis abgeben? Sind diese automatisch ausgeschlossen?
Was ist passiert?
Ein öffentlicher Auftraggeber hatte Rohbauarbeiten ausgeschrieben. Den Zuschlag sollte das Angebot mit dem niedrigsten Preis erhalten. Der Bieter B1 gab ein Angebot ab, das deutlich unter dem des zweiten Bieters B2 lag. Aufgrund des niedrigen Preises sollte B1 der Zuschlag erteilt werden. B2 rügte die Unauskömmlichkeit des Angebots von B1 und beantragte das Nachprüfungsverfahren. Der Auftraggeber musste hieraufhin die Preise aufklären. Nachdem B1 sein Angebot preislich aufgeschlüsselt hatte und auch seine finanzielle Leistungsfähigkeit positiv nachwies, beabsichtigte der öffentliche Auftraggeber weiterhin B1 den Zuschlag zu erteilen. Auch dies rügte B2 erneut.
Die Entscheidung
Die Vergabekammer Lüneburg (Az. VgK 32/2015) entschied, dass B1 nicht von der Vergabe ausgeschlossen werden könne. Die Vergabekammer stellte zunächst fest, dass das Angebot von B1 keine unzulässige Mischkalkulation sei, mit der der Bieter Einheitspreise für bestimmte Leistungspositionen unzulässig auf andere Positionen verteile. Nach der Aufschlüsselung seiner Kalkulation, habe B1 die Kosten in den Positionen angesetzt, in denen sie auch anfallen.
Zum anderen durfte B1 auch kostendeckende Einheitspreise um genau bezifferte Abschläge reduzieren. Dies sei von der Kalkulationsfreiheit gedeckt. Hiervon sei ein (unzulässiger) Abschlag auf das Gesamtangebot streng zu unterscheiden. Gleichwohl stellte die Vergabekammer aber auch fest, dass es sich um ein Unterkostenangebot handelt, da B1 die Auskömmlichkeit nicht positiv nachgewiesen habe. Das wiederum führe aber dennoch nicht zum (automatischen) Ausschluss des B1 von der Vergabe. Nach Ansicht der Kammer kann ein Unterkostenangebot erst dann ausgeschlossen werden, wenn entweder eine Marktverdrängungsabsicht des Bieters und/oder eine Gefahr für die Vertragsabwicklung hinzu kommt. Eine Gefahr der Vertragsabwicklung wäre z.B. dann anzunehmen, wenn aufgrund der niedrigen Preise der Bieter aller Voraussicht nach in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten geraten würde (Stichwort: Insolvenz), sodass mit einem Abschluss des Auftrages nicht gerechnet werden kann. Dies sei durch die Liquiditätsbescheinigung des B1 nicht der Fall. Auch eine Verdrängungsabsicht konnte B1 nicht nachgewiesen werden.
Fazit
Die Entscheidung verdeutlicht einmal mehr, wie schwierig es für Bieter ist, gegen Dumping-Angebote vorzugehen. Die Regelung des § 16 Abs. 6 Nr. 1 VOB/A-EG, wonach Angeboten mit unangemessen hohen oder niedrigen Preisen der Zuschlag nicht erteilt werden darf, bietet nur ungenügend Schutz. Nur wenn eine Marktverdrängungsabsicht des Bieters zulasten der anderen Bieter oder eine gefährdete Vertragserfüllung im Ausführungszeitraum festgestellt werden kann, kann gegen das Dumping-Angebot vorgegangen werden. Ein automatischer Ausschluss ist ansonsten nicht möglich. Ob die Reform des Vergaberechts hieran etwas ändern wird, bleibt abzuwarten.
Weitere Informationen:
Näheres zur Vergaberechtsreform
Autorenhinweis
Die Autorin, Rechtsanwältin Anna Rehfeldt, LL.M mit Sitz in Berlin, berät Unternehmen in den Bereichen Zivil-, Bau- und Vertragsrecht, Arbeitsrecht sowie im Marken-, Patent- und Wettbewerbsrecht. Zudem übernimmt sie das Forderungsmanagement für Unternehmen!
Etabliert haben sich insbesondere ihre Inhouse-Schulungen sowie ihr Angebot einer externen Rechtsabteilung (http://www.ra-rehfeldt.de/service/)!
Rechtsanwältin Anna Rehfeldt, LL.M.
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