Erhält ein Konkurrent den begehrten Zuschlag für einen öffentlichen Auftrag, stellt sich für die übergangenen Mitbewerber oftmals die Frage, ob dieser Vertrag auch rechtmäßig zu Stande gekommen ist. Ein Vertrag ist u.a. dann unwirksam, wenn gegen Informations- und Wartepflichten verstoßen wurde oder Unternehmen von Anfang an grundlos nicht am Vergabeverfahren beteiligt werden. In jedem Fall muss ein Verstoß aber im Nachprüfungsverfahren festgestellt werden, um die Kündigung verlangen zu können!
Hintergrund
Gemäß § 101 b GWB ist ein Vertrag von Anfang an unwirksam, wenn der Auftraggeber gegen § 101 a GWB (Informations- und Wartepflichten) verstoßen hat oder ein öffentlicher Auftrag unmittelbar an ein Unternehmen erteilt wird, ohne andere Unternehmen am Vergabeverfahren zu beteiligen und ohne dass dies aufgrund Gesetzes gestattet ist (sog. „de facto-Vergabe“). Als weitere Voraussetzung muss der Verstoß zudem im Nachprüfungsverfahren gemäß § 101 b Abs. 2 GWB festgestellt worden sein.
Folge eine Unwirksamkeit: Der nicht berücksichtigte oder ausgeschlossene Mitbewerber kann die Kündigung oder anderweitige Beendigung des Vertrages zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer verlangen.
Achtung: Das Nachprüfungsverfahren ist fristgebunden! Ein Mitbewerber kann einen Verstoß nur binnen 30 Kalendertagen ab Kenntnis des Verstoßes, jedoch nicht später als sechs Monate nach Vertragsschluss geltend machen!
Die Entscheidung
Das OLG Schleswig hat mit Beschluss vom 28.08.2015 (Az. 1 Verg 1/15) entschieden, dass ein Mitbewerber weder eine Kündigung noch eine anderweitige Beendigung eines vergaberechtswidrig zustande gekommenen Vertrages beanspruchen kann, wenn die 6-Monatsfrist des Nachprüfungsverfahrens bereits fruchtlos verstrichen ist.
In seinem Beschluss führt das OLG aus, dass allein der Umstand, dass ein Vertrag, der ohne ein vorangegangenes Vergabeverfahren zu Stande gekommen ist und auch noch weiterhin von den Vertragsparteien vollzogen wird, nicht ohne weiteres beendet werden muss. Das gelte selbst dann, wenn hierdurch ein (objektiv) vergaberechtswidriger Zustand aufrechterhalten werde. Es müssen vielmehr alle Voraussetzungen gemäß § 101 b GWB eingehalten werden!
Allerdings spricht das Gericht zugleich auch die noch offene Frage an, ob ein öffentlicher Auftraggeber unter Umständen gegenüber der EU verpflichtet sein kann, einen vergaberechtswidirigen Vertrag zu kündigen.
Es bezieht sich insoweit auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf (Az. VII-Verg 50/08).
Das OLG Düsseldorf hatte entschieden, dass zwar auf der einen Seite gemäß § 114 GWB ein vergaberechtswidirger Vertrag als wirksam angesehen werden kann und ein übergangener Mitbewerber nicht die Aufhebung oder Beendigung des Vertrages verlangen kann. Auf der anderen Seite nach der Rechtsprechung des EuGH aber die Pflicht der Mitgliedsaaten bestehe, Folgen von Verstößen gegen Gemeinschaftsrecht zu beseitigen (vgl. EuGH, C-503/04, Rn. 36 f.)
Folglich könne somit gleichwohl eine Verpflichtung zur Aufhebung des Vertrages bestehen. Dies allerdings ausschließlich gegenüber der EU. Ob und wie eine solche primärrechtliche Verpflichtung zu erfüllen wäre, ist aber offen!
Schlussendlich führt das OLG Schleswig auch noch aus, dass, selbst bei einem unterstellten Kündigungsanspruch, derzeit unklar sei, ob dann noch zu fordern wäre, dass die Vergaberechtswidrigkeit des jeweiligen Vertrages zuvor durch den EuGH festgestellt werden müsse.
Autorenhinweis
Die Autorin, Rechtsanwältin Anna Rehfeldt, LL.M mit Sitz in Berlin, berät Unternehmen in den Bereichen Zivil-, Bau- und Vertragsrecht, Arbeitsrecht sowie im Marken-, Patent- und Wettbewerbsrecht. Zudem übernimmt sie das Forderungsmanagement für Unternehmen!
Etabliert haben sich insbesondere ihre Inhouse-Schulungen sowie ihr Angebot einer externen Rechtsabteilung (http://www.ra-rehfeldt.de/service/)!
Rechtsanwältin Anna Rehfeldt, LL.M.
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