Nach dem verheerenden Hochhausbrand des Londoner Grenfell Towers kamen auch in Deutschland die Medien schnell zu dem Schluss, dass ausschließlich die mit Polystyrol Dämmung ausgestattete Gebäudefassade für den verheerende Brand verantwortlich sei. Experten wiesen jetzt darauf hin, dass zusätzlich zahlreiche andere Mängel am Brandschutz das Ausmaß der Brandkatastrophe beeinflusst haben.
Nach ausführlichen Untersuchungen des Brandes am Grenfell Tower führen die mit der Ursachenforschung beauftragten britischen Wissenschaftler und Brandschutzexperten mittlerweile die Londoner Brandkatastrophe auf zahlreiche Brandschutzmängel im Gebäude und im Brandschutzkonzept zurück. Die aus Polyethylen bestehende Dämmung der hinterlüfteten Wetterschutzverkleidung der Fassade habe lediglich zur schnellen Ausbreitung des Brandes beigetragen. Auf diese neuen Erkenntnisse der britischen Brandschützer verwiesen Vertreter des Deutschen Energieberater-Netzwerks e.V. (DEN) anlässlich eines Gespräch mit dem Direktor der Branddirektion in Frankfurt am Main, Professor Reinhard Ries. Gleichzeitig warnten sie davor, in Deutschland voreilige Rückschlüsse auf die Brandgefährlichkeit der Dämmung aus Polystyrol zu ziehen. Stattdessen sollte man auch andere Brandrisiken in Betracht zu ziehen.
Viele Brandursachen derzeit unberücksichtigt
Die Vertreter des DEN betonten gemeinsam mit dem Brandmeister Dipl.-Ing. Dietmar Rieth, dass beispielsweise auch den von brennbarem Mobiliar und schadhaften Elektrogeräten ausgehenden Brandlasten in den Wohnungen eine hohe Bedeutung zukommt. Diese Risiken seien jedoch durch die herrschenden Brandschutzkonzepte für Gebäude nicht erfasst, da der Brandschutz sozusagen an der Wohnungstür endet. So würden immer häufiger billige Endgeräte aus asiatischer Produktion als Brandverursacher identifiziert. Hier seien auch andere Verbände und Behörden wie die Bundesnetzagentur als zuständige Prüfbehörde aufgefordert, den Brandschutz zu unterstützen. Die Behörde müsse den Handel mit unzertifizierten, gefährlichen Geräten stärker kontrollieren und unterbinden. „Man hatte nach dem Großbrand sofort den Eindruck, dass alles auf die Fassade geschoben wurde, während die Brandlasten und vor allem der Brandauslöser – in London war es ein defekter Kühlschrank – in den Hintergrund rückten”, relativierte Dipl.-Ing. Hinderk Hillebrands als Vorstand des DEN die Rolle der Dämmung beim Grenfell Feuer. “Das wollten wir im Dialog mit Feuerwehrexperten richtig stellen.“
Brandschutzberatung bei Dämmung aus Polystyrol wird gefördert
Einig waren sich die Vertreter von Feuerwehr und DEN dann auch darüber, dass die verhältnismäßig preiswerten EPS-Schaumstoffe bei richtiger Verwendung keine erhöhte Brandgefahr bedeuten müssen. So sei die Verwendung des Materials als Dämmung in bestimmten Teilen der Gebäudehülle wie im Dachbereich oder im Zusammenhang mit der Dämmung der Bodenplatte unter Brandschutzgesichtspunkten anders zu bewerten, als bei der Verwendung als Dämmstoff für Fassaden. Um die Vorteile des preisgünstigen und gleichzeitig mit ausgezeichneten Dämmeigenschaften ausgestatteten Materials unter voller Beachtung des Brandschutzes optimal zu nutzen, sei eine qualifizierte Bauberatung und -überwachung unbedingt anzuraten. DEN-Ingenieure und Vertreter der Feuerwehr wiesen darauf hin, dass die KfW den Bauherren für eine solche Baubegleitung in Sachen Dämmung bei Neubau und Sanierung Fördermittel in Höhe von 50 Prozent der dafür anfallenden Kosten bis zu einem Höchstbetrag von 4.000 Euro zur Verfügung stellt.