Wird HBCD-haltiges Polystyrol zum Wahlkampfthema?

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Foto: Dachdecker Verband Nordrhein

Der Ärger um die Einordnung von HBCD-haltigem Polystyrol als “gefährlicher Abfall” lässt nicht nach. Auch die Umweltministerkonferenz konnte keine Einigung erzielen. Obwohl die thermische Verwertung eigentlich als ausreichend gilt, müssen alte Dämmstoffe gesondert entsorgt werden. Das treibt die Preise und bedroht die Wirtschaftlichkeit kleiner Betriebe. Vor allem aber hemmt es die dringend benötigte Gebäudesanierung.

Auch wenn bereits einzelne Bundesländer pragmatische Lösungen für die Entsorgung von HBCD-haltigem Polystyrol umgesetzt haben, so fehlt die bundeseinheitliche Regelung. Dies führt zwar im Kleinen zu einer Entspannung, löst jedoch das grundsätzliche Problem nicht. “Ganz im Gegenteil. Unternehmen sehen sich nun auch mit bundesweit unterschiedlichen Regelungen konfrontiert. Die Verbringung von Bauabfällen endet aber nicht an den Ländergrenzen”, kritisiert Michael Knipper, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB).

Keine Einigung zur Entsorgung von HBCD-haltigem Polystyrol

Obwohl auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks nach eigener Aussage die Einstufung des Polystyrols für übertrieben hält, konnte vergangene Woche auf der Umweltministerkonferenz (UMK) in Berlin kein einheitlicher Konsens über eine Rückstufung von HBCD-haltigem Polystyrol als ungefährliche Abfallart getroffen werden. “Ein äußerst enttäuschendes Ergebnis. Viele Dachdecker bleiben auf den Dämmstoffen und auf den zum Teil immensen hohen Kosten für die Entsorgung sitzen. Erste Entlassungen, Kurzarbeit, zahlreiche Baustopps sind die Folgen. Die Industrie meldet bereits Umsatzeinbußen und auf Mieter werden höhere Kosten zukommen”, warnt Ulrich Marx, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH).

Eine Lösung für das Entsorgungschaos im Bezug auf HBCD-haltiges Polystyrol ist noch immer nicht in Sicht. “Unsere Unternehmen berichten uns, dass das Baumaterial weiterhin die Baustellen blockiere, Bauvorhaben seien bereits zurückgestellt worden und die Entsorgung sei nur zu exorbitanten Preisen möglich”, kritisiert Knipper.

Künstliche Verteuerung von 200 Euro auf bis zu 8.000 Euro pro Tonne

Nach der Novelle der bundesweit geltenden Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) nehmen viele Entsorgungsbetriebe HBCD-haltiges Polystyrol nicht mehr ohne weiteres an. Seit dem 1. Oktober 2016 sind Polystyrol-Dämmstoffe, die mehr als 1g/kg des Flammschutzmittels HBCD (Hexabromcyclododekan) enthalten, als “gefährlicher Abfall” einzustufen und müssen daher getrennt entsorgt werden. Dies führte dazu, dass die Entsorgungskosten von rund 200 Euro pro Tonne auf bis zu 8.000 Euro angestiegen sind. Ein Nachweis, dass der angelieferte Dämmstoff die neuen Grenzwerte nicht überschreitet, ist nur mittels teurer Analyse möglich. Auch die Bestätigung durch den Dämmstoffhersteller ist so gut wie unmöglich, da in vielen Sanierungsprojekten keine Angabe vorliegen, welches Material von wem hergestellt wurde.

Bei den drastisch gestiegenen Entsorgungspreisen drängt sich daher leicht der Verdacht auf, dass es nicht um Umweltschutz sondern Profit geht. “Die Abfall-Bunker sind unseres Erachtens nach mit im Ausland gekauften Müll bis zum Anschlag voll – Entsorgung wäre möglich, wird für unsere Betriebe jedoch künstlich verteuert”, vermutet auch Thomas Schmitz, Geschäftsführer des Dachdecker Verbands Nordrhein in Düsseldorf.

Pokerspiel um Entsorgung

Viele Dachdeckerbetriebe halten bereits die Forderungen der Entsorger für ein Pokerspiel, bei dem sie der Einsatz sind. Denn wenn das Entsorgungsproblem nicht gelöst wird, ruhen bestehende Baustellen und platzen durch die um bis zum 20-Fachen gestiegenen Entsorgungspreise die Kalkulationen. “Es dürfte nur noch eine Frage von wenigen Tagen oder Wochen sein, bis unsere Mitgliedsbetriebe aus wirtschaftlichen Zwängen darauf mit Entlassungen reagieren müssen”, prognostiziert Schmitz. Auf der anderen Seite warnt die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) davor, die Folgen des Entsorgungsnotstands zu überdramatisieren. “Die Drohung mit Massenentlassungen ist übertrieben und unredlich. Solche Aussagen helfen in der Sache nicht und verunsichern die Beschäftigten in Dachdeckerbetrieben.” Immerhin ist die Auftragslage so gut wie lange nicht. Dies führt zu Fachkräftemangel und langen Wartezeiten für Kunden. “Es gibt deshalb keinen Grund, die Sorge vor Entlassung zu streuen.”

Entsorgungschaos hemmt die Gebäudesanierung

Doch es gibt noch einen anderen Grund zur Sorge. “Insbesondere die Gebäudesanierung kommt ins Stocken. Denn die Unternehmen wissen nicht, wie sie ausgebautes Dämmmaterial wieder loswerden. Das kann nicht im Sinn des Klimaschutzes sein” erklärt ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa. Denn es konterkariert die Pläne der Bundesregierung. Schließlich ist die Einordnung von HBCD als gefährlicher Stoff von der EU gar nicht gefordert gewesen, weiß ZVDH-Hauptgeschäftsführer Ulrich Marx: “Dies ist allein dem vorauseilendem Gehorsam einiger Bundesländer geschuldet, die diesen Antrag seinerzeit in den Bundesrat eingebracht haben. Nun müssen wir kurzfristig eine Mehrheit im Bundesrat erreichen, um Schlimmeres zu verhindern!”

Denn einige Bundesländer werden nun einen entsprechenden Rückstufungsantrag in den Bundesrat einbringen, der am 16. Dezember 2016 zu diesem Thema tagt. Das Bundesministerium (BMUB) hat angekündigt, in der darauffolgenden Woche am 21. Dezember einen Kabinettsbeschluss zur Unterstützung der Initiative durch die Bundesregierung herbeizuführen.

Es bleibt also nur zu hoffen, dass die Politik dem Beispiel Österreichs folgt. Denn im Nachbarland wurde per Erlass HBCD-haltiges Styropor auch weiterhin nicht als gefährlicher Abfall eingestuft und darf entsprechend auch in Müllverbrennungsanlagen für nicht gefährliche Abfälle verbrannt werden.

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