Die aktuelle Diskussion um einen Bedeutungsverlust vom Bauhandwerk durch das serielle Sanieren ist nur bedingt nachvollziehbar. Denn das Erreichen der Klimaschutzziele erfordert neue innovative Maßnahmen, um den Grad der Sanierung nachhaltig zu steigern. So ist die serielle Vorfertigung ein weiterer Schritt, den hohen Sanierungsbedarf zu decken. Die klassische Sanierung durch das Bauhandwerk bleibt davon allerdings völlig unberührt.
Der Bau und die Instandhaltung von Gebäuden, einschließlich der Heizung und der technischen Gebäudeausrüstung ist laut der Europäischen Kommission für 40 Prozent des Energieverbrauchs in der EU verantwortlich. Eine deutliche Effizienzsteigerung ist folglich ein großer Hebel, um die ehrgeizigen Klimaschutzziele der Bundesregierung erfüllen zu können. Doch trotz aller politischen Anstrengungen und finanzieller Förderung konnte die Sanierungsrate in Deutschland in den letzten Jahren nicht signifikant gesteigert werden. “Im Moment stehen wir bei rund 1 Prozent, wir müssen aber bis 2023 auf 4 Prozent kommen, um die Klimaziele erreichen zu können”, erklärt Matthias Jacob, der Vizepräsident Technik des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie (HDB). “Deswegen müssen wir neue Wege gehen. Das serielle Sanieren kann einen wichtigen Beitrag leisten.”
Hoher Sanierungsbedarf, vor allem im Wohnungsbau
Ein Optimierungspotential ist vor allem im Bereich der drei Millionen Mehrfamilienhäuser gegeben, die 17 Prozent der Wohngebäude in Deutschland darstellen. Die dena schätzt das Potenzial für Sanierungen nach dem sogenannten energiesprong-Prinzip allein bei kleineren bis mittleren Mehrfamilienhäusern der 50er bis 70er Jahre auf rund 500.000 Gebäude in Deutschland. Hier liegen also große Möglichkeiten. Dazu kommen noch die 2,7 Millionen Nichtwohngebäude, die bisher wenig Beachtung finden, obwohl sie aufgrund der Besitz- und Nutzerstruktur erhebliches Potenzial bieten.
Serielles Sanieren unterstützt die klassische Sanierung
Das Serielle Sanieren kann dabei helfen, diesen energetischen Bedarf schnell und kosteneffizient zu decken. Denn es werden alle Kräfte benötigt, um die Sanierungsquote im Gebäudebereich mittelfristig zu steigern. “Allein mit handwerklichen Methoden werden wir das nicht schaffen”, erklärt Jacob. “Es geht daher um zusätzliche Geschäftsmodelle, nicht das Verdrängen von traditionellen. Das Handwerk wird auch in Zukunft noch genug zu tun haben.” Denn einerseits ist der Markt groß genug und andererseits werden durch die handwerklich ausgeführten Sanierungsarbeiten ganz andere Käufergruppen adressiert. Damit degradiert serielles Sanieren weder die handwerkliche Bedeutung noch steht es in Konkurrenz zu ihr. Im Gegenteil, durch die serielle Vorfertigung können zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden, die durch die Krise aktuell in anderen Wirtschaftsbranchen frei werden.
Mehr Fördermaßnahmen von der Politik gefragt
Um das serielle Sanieren auf den Weg zu bringen, ist die Bereitstellung bzw. „Schaffung“ großer, zusammenhängend bearbeitbarer Sanierungsportfolios nötig. Dazu sollte die Politik die Förderstruktur ändern. “Förderprogramme müssen die Abwicklung großer Projekte und Portfolios erleichtern und fördern, etwa durch vereinfachte Beantragungsverfahren oder einen ‘Mengenrabatt’”, fordert der HDB-Vizepräsident. “Die gemeinsame Anrechenbarkeit von Quartieren und Portfolios – wenn zusammenhängend abgewickelt – wirkt als zusätzlicher Anreiz.” Gleichzeitig müssen ordnungs-, planungs-, steuerrechtliche und andere Hemmnisse minimiert werden. Der HDB-Vize fordert die öffentliche Hand dazu auf, sich ihrer Vorbildfunktion bewusst zu werden mit einer umfänglichen Vergabe von zusammenhängenden Portfolios, Rahmenverträgen und detaillierten Leistungspaketen. Ein derart ausgestaltetes und darüber hinausgehendes Förderprogramm wäre ein wichtiger Schritt, neue Geschäftsmodelle für den Klimaschutz zu entwickeln.