Seit Jahren stößt die Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern (Entsenderichtlinie) auf große Kritik im Handwerk. Dabei sind vor allem die Ausbeutung der Arbeitnehmer, sowie ein verzerrter Wettbewerb die Hauptärgernisse. Aus diesem Grund kämpft man seit langem für eine Änderung der Entsenderichtlinie. Eine kürzlich vom EU-Parlament geführte Verhandlung führt in diesem Zusammenhang zu einem sehr unbefriedigenden Ergebnis.
Der Grundgedanke der Entsenderichtlinie ist ein sehr guter, denn sie hilft allen Beteiligen bei einer optimalen Ausnutzung von Arbeitsleistung. Wenn also ein EU-Mitgliedsstaat Unterstützung bei der Bewältigung seiner Aufträge benötigt, kann er durchaus auch Arbeiter aus anderen EU-Mitgliedsstaaten beschäftigen. Die Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern macht dies seit dem Jahr 1996 problemlos möglich. Leider führte die Entsenderichtlinie bis heute immer wieder zu viel Ärger innerhalb des Handwerks und brachte darüber hinaus einen verzerrten Wettbewerb mit sich.
Arbeitgeberverbände wie auch Gewerkschaften der Bauwirtschaft kämpfen daher schon lange für eine Änderung der Entsenderichtlinie. Zum einen erwartet man einen weiterhin fairen, transparenten Wettbewerb. Zum anderen fordert man ein Vermeiden von Sozialdumping. Beides sind die Hauptkritikpunkte an der Entsenderichtlinie. Durch den Trilog zwischen EU-Kommission, EU-Rat und EU-Parlament erhoffte man sich eine einschneidende Veränderung der derzeit geltenden Regelungen im Rahmen der Entsenderichtlinie.
Leider legt das Ergebnis dieses Trilogs zur „Durchsetzungsrichtlinie“ offen, dass es alles andere als befriedigend ist. Im Gegenteil, man erwartet nun durch die neue Entsenderichtlinie einschneidendere Nachteile für die Arbeitnehmer und Wirtschaft. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) macht in diesem Zusammenhang unmissverständlich klar, was sie von dem Verhandlungsausgang hält.
Die IG BAU ist empört und rechnet mit noch stärkeren Konsequenzen durch die reformierte Entsenderichtlinie. Für sie steht fest, dass das Ergebnis des Trilogs dazu beiträgt, dass die Ausbeute der entsendeten Arbeitnehmer noch stärker vorangetrieben wird. Des Weiteren wird die Wirtschaft noch mehr geschwächt werden, weil fair arbeitende Betriebe auf lange Sicht den Kürzeren ziehen müssen.
Bei der Bewertung der Situation sollte man schließlich nicht vergessen, dass die Machenschaften einiger Entsendebetriebe durchaus kriminell sind. Immerhin werden die Arbeitnehmer durch dubiose Methoden um ihre Löhne, Urlaubsansprüche, Steuerrückzahlungen und Spesen betrogen. Für die Betriebe in den Gastländern wiederum bedeuten die derzeitigen Regelungen einen unfairen Wettbewerb. Schließlich können sie mit den Dumpinglöhnen der Entsendfirmen nur selten mithalten, wodurch sie Aufträge immer öfter verlieren.
Das Ergebnis der Verhandlungen zur Entsenderichtlinie bedeutet nun, dass die sowieso schon defizitären Kontrollen im jeweiligen Gastland, noch stärker eingeschränkt werden. Darüber hinaus wird den Entsendefirmen die Anmeldung ihrer Beschäftigten noch erleichtert. Bisher galt, die Gastarbeiter der Entsendefirma im Gastland vor Beginn der Arbeit anzumelden. Geschah dies nicht, wurde ein Bußgeld fällig. Mit dem neuen Ergebnis wird es den Entsendfirmen nun ermöglicht, ihre Arbeiter erst bei Beginn anzumelden. Wer nun also kontrolliert wird, findet noch leichter ein Schlupfloch, da er jederzeit argumentieren könnte, er habe die Arbeit gerade erst begonnen.
Die IG BAU äußert sich unmissverständlich zu dem Ergebnis des Trilogs: „Die EU-Verhandler betrachten die Entsendepraxis sehr einseitig unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Sie tun dabei so, als arbeiteten sämtliche Entsendefirmen seriös. Schutzmaßnahmen die manche Gastländer für entsandte Arbeiter ergriffen haben, erklären sie faktisch für überflüssig. Dagegen müsste jede neue Schutzmaßnahme der Gastländer doppelt und dreifach als verhältnismäßig und zwingend erforderlich gerechtfertigt und vorab breit veröffentlicht werden. In der Praxis könnten dich schwarze Schafe unter den Betrieben rechtzeitig Mindestarbeitsbedingungen einstellen.“
Die deutsche Bauwirtschaft appelliert ein Mal mehr an die EU, dieses Ergebnis zur Entsenderichtlinie so nicht umzusetzen, da die Folgen katastrophal wären.