Die Novellierung der Handwerksordnung (HwO) bewirkte, dass für eine Selbstständigkeit in einigen handwerklichen Bereichen nicht mehr zwingend eine berufliche Qualifikation nachgewiesen werden musste. Damit wurde die bisher geltende Meisterpflicht in diesen Gewerken de facto abgeschafft. Eine aktuelle Studie kritisiert dieser Veränderung rückwirkend und hält sie für einen folgenschweren Einschnitt in die Grundstruktur des deutschen Handwerks.
In insgesamt 53 Gewerken des Handwerks in Deutschland ist im Jahr 2004 mit der Neuordnung der Handwerksordnung (HwO) die Meisterpflicht entfallen. Wo vorher der Nachweis über die erfolgreich abgelegte Prüfung erbracht werden musste, steht seit der Überarbeitung der HwO einer Selbstständigkeit ohne Meisterprüfung nichts im Weg. Zulassungsfrei werden die Berufe des Handwerks genannt, bei denen wie zum Beispiel im Fliesenlegerhandwerk die Meisterpflicht zur Eröffnung eines eigenen Betriebes entfallen ist. Der Boom von Existenzgründungen, der mit dieser einschneidenden Veränderung einherging, wurde zunächst als wirtschaftlicher Vorteil gedeutet. Und doch kommt das Volkswirtschaftliches Institut für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen (ifh Göttingen) in ihrer Studie auf ein anderes Ergebnis.
Deutliche Veränderungen durch Zulassungsfreiheit
In Folge der Überarbeitung der Handwerksordnung sei laut Studie ein deutlicher Rückgang der Meisterzahlen zu verzeichnen gewesen. Nachdem die Meisterpflicht entfallen war, gab es für die Neugründer keine Veranlassung mehr, Zeit und Geld in eine Weiterentwicklung der eigenen Person zu investieren. Auch sei besonders im Bereich der zulassungsfreien Handwerksberufe eine verstärkte Anmeldungen von Solounternehmen zu verzeichnen gewesen. Diese würden sich jedoch oft nicht besonders lange am Markt halten können. Die Einnahmen seien zu gering, um wettbewerbsfähig agieren und wirtschaftlich handeln zu können. Nicht zuletzt führe der geringe Ertrag dieser Betriebe zu einer geringen Beitragszahlung in die Rentenkasse des Einzelunternehmers, was letztlich die Gefahr drohender Altersarmut birgt.
Zulassungsfrei auf höchstem Niveau?
Der Wegfall der Meisterpflicht habe jedoch nicht nur Auswirkungen auf den Einzelnen, sondern auch der gute Name der Handwerksarbeit gerät in Gefahr. Denn der fehlende Nachweis beruflicher und fachspezifischer Qualifikation lasse auch an der Befähigung der Handwerksbetriebe zweifeln. So hinterfragt die Studie kritisch, ob denn noch Qualität und die Bereitschaft für Innovationen gegeben seien, wenn ein Gewerk zulassungsfrei ist. Immerhin fehle vielen dieser kleinen Handwerksbetriebe die notwendige Fortbildung. Darunter würde nicht zuletzt auch die Ausbildung von Nachwuchskräften leiden. Immerhin ränge das Handwerk schon seit vielen Jahren mit einem Mangel an Fachkräften. Doch wer sollte die neue Generation an Handwerkern ausbilden, die so dringend benötigt werden? Diesen Fragen sollte zügig beantwortet werden, damit nicht noch mehr Humankapital verloren geht und das Handwerk wieder attraktiv für Ausbildungssuchende und Fachkräfte wird.